Online-Gschichtl Nr. 134

Die Leitha - Der Wasen und seine Brücke

Verschiedene Fragen und Diskussionen zu den Wasenbrucker Beiträgen von Johann Amsis befassten sich mit der Leitha, ihrem Verlauf und ihrer Funktion als Grenzfluss. In emsiger Kleinarbeit und mit viel Aufwand hat nun Hans seinen eigenen Wissensdurst zu dem Thema gestillt und ein mehrteiliges Gschichtl zur Leitha verfasst. Die einzelnen Teile werden nun in den Sommerferien jeden Sonntag online erscheinen, die Mittwochsbeiträge entfallen in diesem Zeitraum.

Die persönlichen Erinnerungen an die Leitha meiner Kindheit, ließen mich eigentlich immer vermuten, dass wir Kinder aus den 1950/60er-Jahren noch ein Stück der unangetasteten, ursprünglichen Leitha kannten. Die eingesehenen Karten aus der Niederösterreichischen Landesbibliothek (NÖLB) haben für mich vollkommen Neues zutage gebracht, was ich mir in meinen Vorstellungen nicht gedacht hätte. Die historischen Karten zeigen nämlich, welche Arbeiten ohne Bagger und LKWs, also nur mit Menschenhand, mit Schaufel, Spaten und Scheibtruhe im 19. Jahrhundert geleistet wurden, dass jener Flusslauf entstand, den wir heute kennen. Eine wesentliche Quelle war auch Roland Filzwiesers beachtenswerte Dissertation „Die historische Landschaft des Leithagebirges“ von 2018.

Doch beginnen wir der Reihe nach, bei den Quellflüssen. Die Schwarza entspringt im Schneeberggebiet und die Pitten nimmt ihren Lauf im Wechselgebiet. Bei Lanzenkirchen vereinigen sich die beiden Flüsse und werden dort zu unserer Leitha. 180 Kilometer lang fließt sie von Niederösterreich über das heutige Burgenland bis nach Ungarn und mündet dort, nach ihrem langen Weg, bei Mosonmagyaróvár (Wieselburg-Ungarisch Altenburg) in die Donau. Zur Herkunft des deutschsprachigen Namens der Leitha gibt es unterschiedliche Theorien, die einen leiten ihn aus dem Althochdeutschen her, die anderen von den Römern.

Die Leitha stellte schon lange einen Grenzfluss zwischen Österreich und Ungarn dar, diese Funktion wurde bereits in der Mitte des 11. Jahrhundert festgehalten. Manche Gelehrte benennen auch die Wasserscheide oder den Kammweg am Leithagebirge als frühe Grenze. Eine genaue Grenzziehung dürfte auch nicht immer möglich gewesen sein, da ja die Leitha ein unwirtliches und sumpfiges Überschwemmungsgebiet war. Es war damals nicht so leicht, die sumpfige Leitha mit ihren Auen zu überwinden. Doch wo eine Grenze bestand, da gab es immer Menschen, die Mittel und Wege suchten, diese zu überwinden.

Das Schmugglerwesen dürfte die Scharfenecker nicht sonderlich erfreut haben. Um die Grenzzone besser überblicken zu können, wurde ein Erdhügel aufgeschüttet. Ein Tumulus entstand, so bezeichnen Forscher unser ehemaliges Türkenbergl, für das auch die Begriffe Tabor oder Wasen passend sind. „Wasen“ war die frühere Ausdrucksweise für Gras oder Wiese. Die Forscher, erklärt Roland Filzwieser in seiner Dissertation, schließen nun daraus, dass das Türkenbergl – nicht die Brücke – mit Wasen bewachsen war und die daneben liegende Brücke daraus folgend als „Wasenbrücke“, also „Brücke beim Wasen“, bezeichnet wurde. Das Bergl dürfte in seiner strategischen Ausrichtung zur Sicherung der Brücke über die Leitha sowie als mögliche Grenzbefestigung und zur Einhebung einer Maut errichtet worden sein. Dem Wasenbrucker Bergl dürfte aufgrund seiner Lage am direkten Weg von Mannersdorf nach Reisenberg eine große Bedeutung zugekommen sein. Als Auftraggeber für das Bergl könnten die Scharfenecker oder ihre Vorgänger angesehen werden, die von ihrem Hausberg aus das Gebiet jenseits der Leitha und die Brücke überblicken konnten. Erst später dürfte der Herrschaftsmittelpunkt auf die Burg an den Hängen des Leithagebirges verlegt werden sein, wenn man Roland Filzwiesers Ausführungen folgt. Somit wäre die Stelle des heutigen Wasenbrucks sogar einer der historisch bedeutendsten Stätten innerhalb des ehem. Herrschaftsgebietes.

Im Zuge meiner Recherchen ist mir eine Landkarte aus dem Jahre 1805 (NÖLB) aufgefallen, auf der das Bergl neben der Wasenbrücke einen Durchmesser von etwa 40 Metern und eine Höhe von etwa 6,5 Metern aufwies. Das sind gut 3.580 m³ Erde, wenn man den Lockerungsfaktor noch dazu rechnet sind es sogar 4.200 m³ Erde, die aufgeschüttet wurden. Wenn man bedenkt, dass ein Drei-Achs-LKW ca. 10 m³ Erde laden kann, hätte es 420 Fuhren gebraucht, um das Bergl mit heutiger Technik zu errichten. Da es aber damals noch keine solchen Hilfsmitteln gab, mussten die Erdbewegungen händisch erfolgen. Eine gewaltige Leistung für die damalige Zeit. Damit können wir die Sage, in der erzählt würde, dass die türkischen Soldaten ihrem Pascha einen Erdhügel als Ort für ein Festmahl aufgeschüttet hätten, getrost als „Gschichtl“ ansehen. Der Pascha wäre sicherlich verhungert, ehe das Bergl fertig geworden wäre.

Forscher begannen sich schon früh für unser Bergl zu interessieren. Eine erste Grabung wurde bereits 1879 von Franz Heger durchgeführt, der eine Mischung aus Erde, Sand und Lehm vorfand, aber auch eine 1/2 Meter dicke Schicht aus dunkler Erde, die mit Holzkohle vermengt war. Die damaligen Funde sind leider nicht erhalten. Unser Türkenbergl war auch einige Zeit als Hinrichtungsstätte in Funktion. Hier wurde 1834 an der Gattenmörderin Barbara Höldl die letzte Hinrichtung in der Herrschaft vollzogen. Im Februar des Jahres 1882 erwarb dann die Firma Hutter und Schrantz die Hutweidengründe der Gemeinde „rückwärts zum Hofraum der Fabrik“. Außerdem wurde der Firma die teilweise Wegräumung des Türkenbergls genehmigt. Nach diversen Grundstreitigkeiten mit der Gemeinde wurde 1883 der weitere Abbau des Türkenberges untersagt und somit eingestellt. In den Zeiten meiner Kindheit erzählten die alten Wasenbrucker, dass sie als Kinder das Bergl noch zum Rodeln genutzt hatten. Die Reste des Bergls wurden 1918 von Italienischen Kriegsgefangenen abgetragen. Wir Kinder der Nachkriegsgeneration kannten nur mehr den wunderschönen Park und die Stube mit dem artesischen Brunnen, die an Stelle des Bergls errichtet worden waren. Doch wohin waren die gewaltigen Erdmassen des Bergls transportiert worden? Meine persönliche Vermutung ist, dass das Abraummaterial im Hochwasserschutz verschwunden ist. Sei es als Schutzdamm oder bei der Begradigung der Flussbiegungen, die damit zugeschüttet wurden, um Landfläche zu gewinnen.

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Die Leitha erstreckt sich von Lanzenkirchen bis nach Ungarn, hier bei Nickelsdorf fließt sie zwischen Wiesen und Feldern (Michael Schiebinger)

Foto 2: Die Leitha bei Gattendorf (Michael Schiebinger)

Foto 3: Die Leitha mit der Wasenbrücke und dem Türkenbergl im Biedermeier (Franz X. Schweickhardt, Perspektiv-Karte, 1837)

Foto 4: Der im Zuge der Regulierungsarbeiten der 1830er-Jahre vermessene "Türkenhügel" (Maße in Klaftern) (Niederösterreichische Landesbibliothek (c), Topografische Sammlung, KI_5579_63, Ausschnitt)

Foto 5: Der "Türkenhügel" in Insellage zwischen der Ur-Leitha und dem um 1830 geplanten neuen Flussbett

(Niederösterreichische Landesbibliothek (c), Topografische Sammlung, KI_5599_5, Ausschnitt)

Foto 6: Das bereits teilweise abgetragene Türkenbergl, 1906 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)