Online-Gschichtl Nr. 140

Die Leitha - Das Hochwasser kommt

Im siebenten Teil zur Leitha berichtet Johann Amsis diesmal über die Schattenseiten eines Flusses.

 

Die Leitha war nicht immer ein beschaulicher und freundlicher Wasserlauf, sie konnte auch ihre andere, für Mensch und Tier bedrohliche Seite zeigen. So kam es bis zur Errichtung der Schutzdämme zu regelmäßigen Überschwemmungen, die sich zu verheerenden Hochwässern ausdehnen konnten. So war es auch Anfang Dezember 1961, da regnete es unaufhörlich und an drei Tagen infolge trat die Leitha aus den Ufern. Sie stieg so stark an, dass sie durch die Au über die Straße von der Kirche bis nahe zur Fabrik in den Ort vordrang. In der Nacht zum 14. Dezember sank die Temperatur ordentlich ins Minus, das Wasser erstarrte und nicht genug, es setzte auch noch starker Schneefall ein. Zwanzig Zentimeter Schnee sind damals gefallen, die eine Winterlandschaft erzeugten, wie man sie nur aus den Weihnachtsbüchern kennt. Als das Wasser unter dem Eis abgesunken war, hatten wir Kinder unseren Spaß, dieses einzutreten, ohne nass zu werden. Meiner Erinnerung nach ist diese Schneedecke bis in den März des Folgejahres geblieben, ohne vorher komplett wegzutauen. Bei dem Winterhochwasser 1961 waren 19 Mann der Betriebsfeuerwehr von Hutter und Schrantz im Einsatz, aber auch das Bundesheer entsandte einen Pionierzug zur Unterstützung.

Wenn man den Schneeberg so klar und nah sehen kann, kommt in drei Tagen schlechtes Wetter, war eine weit verbreitete Erkenntnis in Wasenbruck. So war es auch im April 1965, es regnete und regnete. Der Himmel hatte alle Schleusen geöffnet, der letzte Regenmantel und die Wetterhexen waren durchweicht und die Gummistiefel standen bereit. Die Wasenbrucker Bevölkerung war unruhig, das merkte man daran, dass andauernd Leute Richtung Leithabrücke unterwegs waren, um zu sehen, wie stark der Pegel der Leitha anstieg. Riesige Mengen Treibholz, Unrat sowie große und kleinere Bäume wurden angeschwemmt und verfingen sich am Brückenpfeiler. Die Betriebsfeuerwehr stand Tag und Nacht auf der Brücke, um das verfangene Treibgut mit Feuerhaken zu entfernen. Walter Gruidl hat sich da besonders hervorgetan. Er hat sich mit einem Seil sichern lassen, ist am angeschwemmten Treibgut gestanden und hat mit dem Feuerhaken Holz weggestoßen. „Walta gräu auffa“, baten ihn die Feuerwehrkollegen, „des bringt jo nix, waunst dasaufst“. Aber Walter war stur und ließ sich nicht davon abbringen, er war mehrmals mit dem ganzen Körper unter Wasser. Gott sei Dank ist aufgrund seines Geschickes immer alles gut ausgegangen.

Das Gasrohr, das an der Brücke befestigt war, war von dem Treibgut wenig geschützt und man hatte Angst, dass dieses Rohr beschädigt wird. Darum stand die Feuerwehr rund um die Uhr auf der Brücke. Wenn sich ein großer Baum verfangen hatte, hat man diesen unter Lebensgefahr mit einem Seil befestigt und mit dem roten Opel-Blitz der Feuerwehr rausgezogen. Der Leithadamm war damals um einiges niedriger und teilweise eingesunken. So wurden von den Feuerwehrmännern händisch Sandsäcken gefüllt, um diese an den kritischen Stellen des Dammes einzusetzen. Einmal kam man auf den Gedanken den Michigan-Radlader von der Perlmooser Zementfabrik auszuborgen, um ihn bei der Dammsicherung einzusetzen. Die damalige Maschine war mit dem heutigen Standard überhaupt nicht zu vergleichen. Der Lader fuhr im Bereich des Totenhäuschen über den Feldweg, er kam gerademal einige Meter auf dem aufgeweichten Weg weiter und ist dann bis zur Achse eingesunken. Jetzt hatte man den „Scherm auf“, man konnte den Lader ja nicht bis zum Sommer dort stehen lassen und so hatte man sich einige Stunden schwere Mehrarbeit aufgehalst. Das Wasser stieg indes unaufhörlich weiter. Die Leute hatten schon Markierungshölzer gesetzt, um zu sehen, wie schnell die Leitha stieg. Und der Regen nahm kein Ende.

Eine Begebenheit aus dieser Zeit ist mir auch noch in Erinnerung. Ich ging gerade mit meinem Vater in den Konsum einkaufen, da kam Hubert (Bocki) Drimmer in seiner Feuerwehruniform angerückt und pochte bei der großen Schule an das Fenster. Direktor Karl Oels öffnete und Herr Drimmer sagte mit sorgenvoller Stimme: „Herr Direkta, da Hauptmau (Kurt Lima) hod gsogt, se soin de Kinda hamschickn, mia kenan des Wossa nimma dahoidn!“ Der Direktor nickte nur bedächtig und schickte die Kinder heim. Die Kleinen hatten ein mulmiges Gefühl, da man ja nicht wusste, was alles auf einen zukommt.

Heribert Schutzbier hat in seinen „Mannersdorfer Streiflichtern“ die eindrucksvollen Tagebucheinträge eines Mannersdorfer Bewohners aus den Hochwassertagen des Jahres 1965 zitiert. Am 22. April nahm das Geschehen seinen Lauf, die Sirene am Mannersdorfer Schloss gab Hochwasseralarm. Am nächsten Tag war im Tagebuch zu lesen: „Das Wasser steigt weiter! Ganz Wasenbruck ist überschwemmt. Die Windgasse gleicht einem Fluss. Die Kirche die etwas höher gelegen ist, steht noch im Trockenen; die Häuser in ihrer Umgebung aber sind bereits überschwemmt. Das Wasser reicht bis zum Reinthal. Die Straße, die nach Hof abzweigt, ist ebenfalls überschwemmt. Das Brückengeländer des Wiesengrabens ragt aus den Fluten. Die Betriebsfeuerwehr der Hutter und Schrantz und die Freiwillige Feuerwehr Mannersdorf sind im Dauereinsatz. Um 9:45 heulen wieder die Sirenen. Neuer Hochwasseralarm! Die Leitha tritt bei Götzendorf über die Ufer. Feuerwehr und freiwillige Helfer sind ununterbrochen im Einsatz“. Am 24. April zeichnete sich schon ein besseres Bild: „In den Nachmittagsstunden zieht sich das Wasser aus Götzendorf zurück. Trotzdem erstreckt sich noch von Wasenbruck bis Götzendorf ein riesiger See, der von der Platte in Mannersdorf aus gut zu sehen ist.“ Am Folgetag weiß das Tagebuch Positives zu berichten: „Das Wasser sinkt! Nach Radiomeldungen sind in Mannersdorf (Wasenbruck) noch 20 Häuser überflutet.“ Am 27. und 28. April 1965 setzte wieder Regen ein und das Wasser stieg nochmals an: „Die Straße von Mannersdorf nach Wasenbruck ist wieder überflutet. Es herrscht Angst vor Krankheiten. Die Leute werden bei den geringsten Magenbeschwerden nervös“, so der Tagebucheintrag. Bei der Kirche kam in den damaligen Apriltagen das Wasser über die Straße, floss beim Tor in das gegenüberliegende Grundstück hinein und am Gartenende über das Gartentor (heute Leithaweg) hinaus in Richtung Siedlung.

Im Park war wiederum die Brunnenstube mit der die Fabrik die Wasenbrucker Haushalte mit Wasser versorgte. Mitte der 1950er-Jahre bestand auch das „Wossahäisl“ mit dem Teile von Mannersdorf und Wasenbruck mit Trinkwasser versorgt wurden. Bei Hochwasser war das alles überflutet, das Trinkwasser wurde mit dem Leithawasser vermischt und konnte nur mehr abgekocht verwendet werden. Die Feuerwehr brachte daher mit dem Einsatzfahrzeug frisches Trinkwasser, das sich die Bewohner mit ihren Wasserkübeln abholten.

 

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Hochwasser bei den Arbeiterwohnhäusern (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 2: Eis und Hochwasser in den 1960er-Jahren (Kurt Tobler)

Foto 3: Leithabrücke mit Hochwasser (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 4: Das Wasser bahnt sich seinen Weg (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 5: Gärten unter Wasser (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 6: Alles schwimmt ... (Wasenbrucker Heimatseite)