Online-Gschichtl Nr. 141

Die Leitha - Das Hochwasser 1975

Im neunten und letzten Teil zur Leitha berichtet Johann Amsis über das verheerende Hochwasser von 1975. Als besonderes Highlight gibt es dazu auch einen historischen Filmausschnitt zu sehen, der damals von Franz Lukowitsch sen. hochprofessionell gedreht wurde und selbst ein historisches Dokument darstellt.

 

1975 gab es wiedermal einen verregneten Juni, es war für die Jahreszeit viel zu kalt und der Regen hörte tagelang nicht auf. Die Leitha begann sich zu füllen, das Treibgut wurde immer mehr und die Bäume, die mitgerissen wurden, wurden immer größer. Immer mehr Wasenbrucker eilten zur Leithabrücke, um zu sehen, wie schnell das Wasser steigt. In den Häusern wurden indes die Waschmaschinen, Kühlschränke und anderen teuren Dinge „höhergestellt“, um sie vor dem Wasser zu schützen. Da die Leitha mittlerweile reguliert und das Flussbett tiefer ausgebaggert war, konnte man sich nicht vorstellen, dass ein ärgeres Hochwasser als 1965 kommt. Aber man sollte sich gewaltig getäuscht haben. Das Wasser trat aus dem Flussbett und die Straße nach Mannersdorf wurde überflutet. Da die Fabrik von Hutter & Schrantz damals bereits geschlossen war, war diesmal die Mannersdorfer Ortsfeuerwehr im Einsatz.

Dann kam die Nacht, die Leute gingen mit einem mulmigen Gefühl schlafen. Meine Tante, Josepha Opferkuh, wohnte im letzten Haus vor dem Fabriksparkplatz. Als sie am Morgen des nächsten Tages erwachte und aufstehen wollte, stand sie in ihrem Schlafzimmer bis über die Knöchel im Wasser. Bürgermeister Johann Strobl hatte zwischenzeitlich das Bundesheer mit einer Zille angefordert, um das Ausmaß des Hochwassers zu begutachten. Die Zille wurde bestiegen, um in der Windgasse Richtung Siedlung zu fahren. Doch plötzlich kamen sie in eine so starke Strömung, dass die Zille mit den Pionieren und dem Bürgermeister zu einem Telefonmasten getrieben wurde. Die Zille kippte letztlich um, sodass der Bürgermeister und die Soldaten unfreiwillig „baden gingen“.

Auch der Erdboden gab nach, vor der Gasthaustüre wurde ein so tiefes Loch ausgeschwemmt, dass darin sogar ein kleiner LKW Platz gefunden hätte. Srecko Cinkl kam nichtsahnend, genüsslich ein Salzstangerl kauend, vom Fabriksparkplatz angewatet, wo er sein Auto geparkt hatte. Vor dem heutigen Haus der Familie Gartner war er dann plötzlich in ein ausgeschwemmtes Loch gefallen, das man aufgrund des Wassers nicht sehen konnte. Reflexartig hat er noch die Hand in die Höhe gerissen, sodass nur mehr diese mit dem Salzstangerl zu sehen war. In Wasenbruck konnten schon Erinnerungen an Venedig wach werden.

Da damals um das Wasserhäuschen noch kein Damm bestand, war unser Trinkwasser mit dem Leithawasser vermischt und konnte nur mehr abgekocht genossen werden. Herr Wolf brachte als Gemeindearbeiter mit dem Unimog und dem Wassertank täglich frisches Trinkwasser in den Ort. Das Wetter hatte wieder umgeschlagen und plötzlich stiegen die Temperaturen über 30° C an. Das Wasser erwärmte sich rasch und man konnte ohne Gummistiefel darin waten. Die Gelsen hat es auch erfreut und sie bedankten sich mit vielen zärtlichen Stichen bei den Wasenbruckern, bis wieder das Bundesheer zur Bekämpfung ausrückte. Die Arbeiterzeitung organisierte ihrerseits einen Spendenaufruf, um den Wasenbruckern zu helfen. So kam auch einiges an finanzieller Unterstützung zustande.

Der Mannersdorfer Hobbyfilmer Franz Lukowitsch sen. hat die Ereignisse von 1975 filmisch festgehalten – wir danken seinem Sohn Franz Lukowitsch und der Stadtgemeinde Mannersdorf für die Zurverfügungstellung des einzigartigen Zeitdokuments für dieses Online-Gschichtl.

Aufgrund dieses verheerenden Ereignisses von 1975 wurde in den darauffolgenden Jahren der Hochwasserschutz ausgebaut, der uns nach einigen Anlaufschwierigkeiten auch heute noch bestens schützt. Damals ging es dann recht flott und die Baumaschinen fuhren auf. Richtung Mannersdorf wurde eine Ersatzbrücke errichtet, da die alte Brücke um etwa einen Meter hydraulisch angehoben und adaptiert werden musste. Anfang der 1980er-Jahre wurde eine Schneise in die Au geschlagen, beginnend beim Totenhaus bis hinauf zum Italienerbacherl. Bei der tiefen Leitha wurde das Flussbett umgeleitet und unsere Schleuse, die bis heute besteht, in Trockenbauweise errichtet. Nach Beendigung der Betonarbeiten wurde der Damm, wie er auch heute noch besteht, Fuhr um Fuhr aufgeschüttet. Er verlief nun vom Italienerbacherl durch die Au bis zur Brücke der seichten Leitha und von dort Richtung Seibersdorfer Grafenwald. Auf der rechten Flussseite wurde unser Wasserhaus eingefasst. Das nächste Hochwasser ließ nicht allzu lange auf sich warten und wurde zur Bewährungsprobe. Der Damm hat gehalten und das Trinkwasser blieb sauber. Nur in den Kellern der Siedlungshäuser musste das Grundwasser aus den Kellern abgepumpt werden – aber kein Vergleich zu den Schlammmassen von früher.

 

Soweit so gut, das Wasser ging zurück, aber ein Problem blieb bestehen. Richtung Seibersdorf, zwischen dem Damm der seichten Leitha und den Anhöhen auf der Reisenberger Seite, war das Wasser in dem Auffangbecken eingesperrt und konnte nicht abfließen – beim Dammbau war auf eine Ablaufschleuse vergessen worden. Es wurde dann langsam kritisch, da sich der Damm schon besorgniserregend aufgeweicht hatte. Die Diskussionen mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr, den Gemeindeverantwortlichen, den Bauern, deren Felder überflutet waren und den Ortsbewohnern begannen. „Wos moch mah do, mia nehman den Spotn und grom in Daumm auf, das Wossa orina kau!“, hieß es da schnell. Die Diskussionen wurden immer emotionaler, mit Gendarmerie wurde gedroht, es wurde geschrien und geflucht. Allen Drohungen zum Trotz haben die Wasenbrucker dann ihre Spaten geholt, den Damm geöffnet und das Wasser ist zügig abgelaufen. Bald darauf wurde eine Ablaufschleuse eingebaut, die jedoch beim Folgehochwasser aus dem Damm gespült wurde. Aber auch das wurde gelöst, die Schleuse wurde mit Beton und Steinen stark befestigt und ein eigenes Flussbett für den Abfluss zur seichten Leitha gebaut. Seitdem funktioniert alles wie geplant und die Hochwässer haben ihren Schrecken von einst verloren. 


Foto 1: Hochwasser 1975 in der Hauptstraße (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 2: Hauptstraße Richtung Reisenberg (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 3: Hauptstraße mit dem Anger und der Kirche (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 4: Die Flut überschwemmt die Häuser (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 5: Auch die Siedlung hat es erwischt (Wasenbrucker Heimatseite)

Foto 6: Bericht in der Arbeiterzeitung (Wasenbrucker Heimatseite)