Online-Gschichtl Nr. 4

Ein Kreuz am Wegesrand

Wir befinden uns derzeit in einer besonderen und für alle nicht einfachen Situation. Es ist nicht das erste Mal, dass unsere Gegend mit einer Seuche zu kämpfen hat, ein nachdenklicher Blick zurück lohnt vielleicht gerade in diesen Tagen. So war im Jahr 1831  die biedermeierliche Beschaulichkeit schnell verflogen, von den damaligen Ereignissen zeugt bis heute in Mannersdorf ein einfaches Wegkreuz …

 

Am Ortsrand, heute vom Mannersdorfer Industriegebiet geprägt, steht ein einfaches Holzkreuz, das Cholerakreuz. Wie Heribert Schutzbier in seinem jüngsten Buch berichtet, stand es bis 1985 weiter ins Feld gerückt und nach Norden blickend. Es war am 4. September 1831 geweiht worden und sollte für einen eigenen Seuchenfriedhof dienen. In jenen Tagen wurde nicht nur unsere Gegend, sondern weite Teile Europas von der zweiten Cholera-Pandemie erfasst. Eine infektiöse Durchfallerkrankung, die durch Soldaten des polnischen Novemberaufstandes rasch am Kontinent verbreitet wurde.

Ava Pelnöcker hat dankenswerter Weise einen Zeitzeugenbericht aufgestöbert, der Sommereiner Pfarrer Alexius Wiedemann hielt nämlich die damaligen Ereignisse mit seinen Worten fest: „Zur Absonderung wurden Cordone (Sperrzonen) gezogen, Spitäler errichtet, wohin alle Angesteckten zu bringen wären, der Geistlichkeit aufgetragen, beym wirklichen Einbruche der Cholera Kirchen und Schulen zu schliessen, den Gottesdienst im Freien zu halten, die Sakrament mit Verkürzung der Gebethe, mit Löffel und Stäbchen zu ertheilen, separierte Freythöfe zu weihen.“ Die sieben Wochen andauernde Isolation war bereits damals eine Herausforderung, wie Wiedermann berichtete, sprach sich „überdieß ein allgemeiner Unwille gegen diese strengen Absperr- und Absonderungen“ aus.

Auch in Sommerein wurde, wie in Mannersdorf, ein eigener Friedhof errichtet, „der separierte Gottesacker wurde auf dem Berge hinter dem Orthe [angelegt], wo man zur Wenzelkirche geht, gleich unter dem dort stehenden Kreutze“. In Sommerein forderte die Cholera 24 Opfer, in Mannersdorf 30, ob die separaten Friedhöfe genutzt wurden, ist nicht bekannt. In Mannersdorf wird erzählt, dass der Ortsfriedhof zu klein geworden sei und daher jener beim heutigen Kreuz errichtet worden sei. Mit der Weihe des Kreuzes sei, so die Erzählung, die Seuche wundersamer Weise erloschen und der Ersatzfriedhof sei deswegen nie benutzt worden.

Wir haben lange überlegt, ob wir in der jetzigen Situation auch über diese schwierigen Zeiten unserer Vergangenheit schreiben sollen. Die Geschichtln und die Geschichte rund um das Cholarakreuz zeigen aber, dass auch solche Zeiten vorübergehen und hoffentlich bald selbst Geschichte geworden sind.


Fotos: Digitales Archiv Stadtmuseum/Karl Trenker