Online-Gschichtl Nr. 125

Fronleichnam in Mannersdorf

Rechtzeitig vor dem Feiertag berichtet Michael Schiebinger diesmal über das Fronleichnamsfest anno dazumal.

 

Eines der besonderen Hochfeste im Kirchenjahr war und ist auch in Mannersdorf das Fronleichnamsfest. Es findet in Abhängigkeit vom Osterfest am Donnerstag nach dem ersten Sonntag nach Pfingsten statt. Der Name „Fronleichnam“ rührt von der mittelhochdeutschen Bezeichnung „vrône lîcham“ her, die „des Herrn Leib“ bedeutet. Das Hochfest wurde 1264 für die gesamte Kirche eingeführt und besonders nach der Reformation zu einer Demonstration des katholischen Glaubens. Die Verehrung von Leib und Blut Christi stehen dabei in theologischer Hinsicht im Mittelpunkt. Nach katholischem Verständnis werden Brot und Wein bei der Wandlung zu Leib und Blut Christi. Die konsekrierte Hostie – das Allerheiligste – wird daher am Fronleichnamsfest besonders verehrt. Um die Hostie, den „Leib des Herrn“, gut sehen zu können, wird sie in der verglasten Monstranz aufbewahrt. Der Name des Schaugefäßes leitet sich vom lateinischen „monstrare“ ab, das „zeigen“ bedeutet. Und so wird das Allerheiligste am Fronleichnamstag in der Monstranz sichtbar durch die Straßen getragen. Als (Wetter-)Schutz dient dabei der Baldachin, der bei uns liebevoll „Himmel“ genannt wird.

Der Mannersdorfer Tragehimmel ist dabei ein ganz besonderes Stück, denn er stammt noch aus dem Spätbarock des 18. Jahrhunderts und wurde im frühen 20. Jahrhundert bei einer Restaurierung mit Jugendstilornamenten ergänzt. Die Unterseite des Himmels zeigt übrigens nicht, wie üblich, das Christusmonogramm „IHS“, sondern den österreichischen Bindenschild. Dieser verweist wohl auf den Kaiserhof als Stifter, womöglich war der Himmel ursprünglich auch für weltliche Huldigungsfeiern eingesetzt gewesen und wurde erst in Zweitverwendung zum kirchlichen Baldachin.

Um die Jahrhundertwende war das Fronleichnamsfest in Mannersdorf noch ein großes gesellschaftliches Ereignis, bei dem ein großer „Auflauf“ herrschte. Die Prozession, die bei der Pfarrkirche ihren Ausgang nahm, hatte eine eigene Ordnung. Es war also festgelegt, wer wann und wo innerhalb des Zuges zu gehen hatte. Frieda Dunshirn hat noch über diese Rangordnung zu berichten gewusst. An der Spitze des Zuges, nach dem Vortragekreuz und den Fahnen gingen die Schulkinder, die Musikkapelle und die Feuerwehr, dann folgten die Ministranten und der Himmel mit der Geistlichkeit. Hinter dem Himmel schritten dann die Honoratioren des Marktes oder wie es Frieda Dunshirn formulierte, die „Kapazitäten“. Zunächst kamen die Gendarmen, dann der Verwalter des Herrschaftsgutes, der Forstmeister, der Bürgermeister, der Doktor, der Oberlehrer, der Apotheker und die Kirchenväter. Es folgten die Männer und abschließend die Frauen. Getragen wurden bei den Männern schwarze Fest- und Sonntagsanzüge mit Krawatte und Hut. Die Frauen holten ihre schönsten Kleider hervor, die gutbürgerlichen Damen trugen auch ausladende Hüte und Sonnenschirme, um sich vor der frühsommerlichen Sonne zu schützen. Die Bäuerinnen mussten sich hingegen mit ihren Kopftüchern begnügen. Die Straßen des Marktes wurden zu beiden Seiten entlang des Prozessionsweges üppig mit Birkenzweigen geschmückt – das ging damals noch leicht, die Straßen waren ja noch großteils unbefestigt. Die Mannerdorfer Hausbesitzer entlang des Weges stellten in ihre Fenster Kerzen, Heiligenfiguren und Blumenvasen, um alles möglichst festlich zu gestalten.

Zum Fronleichnamsfest kam vor allem die bäuerlich-bürgerliche Bevölkerung des Marktes. Die Arbeiterschaft, die der katholischen Kirche teils fern, teils mit ihr auch in Opposition stand, nahm nur bedingt an dem Fest Anteil. Besonders in der Zwischenkriegszeit und auch noch in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg waren kirchliche Feiern, insbesondere Prozessionen ein Politikum geworden. Während die mehrheitlich sozialdemokratisch-sozialistische Arbeiterschaft ihren Fackelzug und Weckruf hatte, nutzte das konservative Lager die Prozessionen zur Auferstehung und zu Fronleichnam durchaus als Art „Gegenveranstaltungen“. Die einen hatten ihren „Umzug“, die anderen ihren „Umgang“ – später hat sich dieses Lagerdenken entschärft.

Für die Prozession wurden seit jeher vier Altäre benötigt, die noch heute in regelmäßigen Abständen aufgestellt werden. Die Altäre wurden meist bei den Hauseinfahrten aufgestellt und mit allerlei Teppichen, Tischen, Tüchern, Leuchtern, Bildern und Vasen geschmückt. Meist übernahm eine Familie über Generationen hinweg den Auf- und Abbau. Nachbarn brachten diverse Utensilien herüber, Heiligenbilder wurden aus den Schlafzimmern geholt. Seit 1896 betreut bspw. die Familie Schutzbier den ersten Altar bei ihrer Hauseinfahrt, also bereits seit mehr als 120 Jahren bzw. vier Generationen. Der vierte Altar hatte wohl bereits im 19. Jahrhundert seinen Standort beim „Johannes“. Die Kapelle bei der Fabriksgasse wird ja noch heute für das alljährliche Ereignis herausgeputzt. Einige Zeit lang wurde der Altar von der Ur-Ur-Großmutter und dann von der Urgroßmutter des Autors (Familien Kögler und Hofhansl) betreut. Später kümmerten sich u.a. auch Martha Zemann und Josefine Fink um den Altar.

 

Vieles von den alten Fronleichnamsfesten hat sich noch heute erhalten, anderes hat sich deutlich geändert. So werden weniger Birkenzweige gesetzt, die Fenster werden seltener dekoriert und auch die Teilnehmeranzahl hat sich reduziert.


Foto 1: Fronleichnamsprozession beim Schutzbierhaus, um 1900 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Die Damen des Bürgertums mit Hut und Schirm, daneben die Bäuerinnen mit Kopftüchern, um 1900 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 3: Fronleichnamsprozession mit dem Tragehimmel, um 1900 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 4: Der barocke Mannersdorfer Tragehimmel (Michael Schiebinger)

Foto 5: Blick auf die Unterseite des Tragehimmels mit dem zentralen Bindenschild (Michael Schiebinger)

Foto 6: Der Altar beim "Johannes" mit Maria Kögler, Kriegsjahr 1943 (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 7: Musikkapelle und Feuerwehr, um 1960 (?) (Archiv Karl Trenker/Herkunft von Familie Kaltner)

Foto 8: Die Kinder bei der Prozession, 1973 (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 9: Feuerwehr und Pfadfinder, 1976 (Archiv Michael Schiebinger)