Online-Gschichtl Nr. 32

Die Entwicklung des Mannersdorfer Zementwerks bis 1918

Vor kurzem hat Michael Schiebinger über die spannende Gründung des Mannersdorfer Zementwerks berichtet, diesmal widmet er sich dem weiteren Aufschwung der Produktionsstätte bis zum Ende der Monarchie.

Mit 1. Jänner 1904 sollte die Aktiengesellschaft der Kaltenleutgebener Kalk- und Zementfabrik Eigentümerin des Mannersorfer Zementwerkes werden und übernahm es von den Gebrüdern Leube. Um den wachsenden Markt in Ostösterreich bedienen zu können, expandierte gleichzeitig die in der Branche stark aktive Perlmooser AG durch den Erwerb der Zementwerke in Oberpiesting und Lilienfeld. 1905 fusionierte die Perlmooser AG dann mit dem Kaltenleutgebener Kalk- und Zementwerk. Die Vereinigung wurde besonders von Theodor Pierus betrieben, der damals die Kaltenleutgebener Fabrik leitete. Ziel der Fusion war, mit der Perlmooser AG und ihren alpenländischen Standorten einen gemeinsamen Gegenpart zu den böhmischen und ungarischen Zementwerken zu schaffen, die auf den Wiener Absatzmarkt drängten.

Ein kurzer Rückblick – die „Actiengesellschaft der k.k. priv. hydraulischen Kalk- und Portlandzementfabrik zu Perlmoos“ war 1872 im Umfeld von Kufstein in Tirol gegründet worden. Die Kapitalgesellschaft ging aus der Personengesellschaft des Angelo Saulich hervor. In den beiden Stammwerken Kufstein und Perlmoos wurde damals noch Roman- und Portlandzement erzeugt. Die Entwicklung der Perlmooser AG war zunächst durch die Wirtschaftskrise gefährdet, konnte jedoch mit zahlreichen Exporten in das Ausland abgesichert werden. Ab 1882 entspannte sich die Lage, besonders positiv wirkte sich dabei der Betonbedarf beim fortschreitenden Ausbau der Eisenbahnstrecken in der Donaumonarchie aus. Ein weiterer Absatzmarkt erschloss sich in der Residenzstadt Wien, wo Großprojekte wie die Wienflussregulierung und der Bau der Stadtbahn entsprechende Zementmengen erforderten. 1892 wurde der Perlmooser AG die Ehre zuteil „den kaiserlichen Adler im Schilde und Siegel führen zu dürfen“.

Nach der Fusion mit der Kaltenleutgebner Zementfabrik wurde Theodor Pierus noch im Mai 1905 zum neuen Zentraldirektor der Perlmooser AG ernannt. Gleichzeitig wurde das namensgebende Stammwerk in Perlmoos bei Kufstein zu Gunsten der leistungsfähigeren Standorte aufgegeben. In Mannersdorf wurde nun durch die Perlmooser AG eine moderne Drehofenanlage (Rotierofenanlage) errichtet. Sie war damals die erste ihrer Art in der Monarchie, die nach dem Dickschlammverfahren arbeitete. Die Kosten der neuen Anlage beliefen sich auf über 180.000 Kronen. Die beiden 30 Meter langen Drehöfen steigerten die Jahresleistung auf 35.000 Tonnen Zement. Die Baumeisterarbeiten im Werk wurden von A. Siegele aus Laxenburg übernommen, der Dampfschornstein hingegen von Baumeister L. Gussenbauer aus Wien errichtet.

1906 kam es im Werk Mannersdorf sogar zu einem Streik der Ofenarbeiter, die mehr Lohn forderten. Die Perlmooser AG lehnte dies ab und entließ die Streikenden kurzerhand – Kündigungsschutz war damals leider noch ein „Fremdwort“. Die übrigen Arbeiter des Werkes hatten sich dem Streik nicht angeschlossen, sodass der Betrieb fortgeführt werden konnte.

In jenen Tagen geschah aber auch Erfreuliches, denn die Behörde genehmigte den Betrieb einer Werkskantine. Auch die weitere Modernisierung im Werk ging rasch voran – im Jahr 1908 wurden für eine neue Zementmühle Aggregate aus Kopenhagen bestellt. Bis 1914 entstand eine Drahtseilbahn zwischen dem Steinbruch und dem Zementwerk, die nun einen bequemen Steintransport ermöglichte. 1912 wurde mit dem Bau eines 60 Meter hohen Dampfschornsteines durch die Fa. Gussenbauer begonnen. 1913 wurde in Mannersdorf ein dritter Drehofen errichtet, der mit seinen 50 Metern Länge eine Jahresleistung von 90.000 Tonnen im Werk ermöglichte. Zudem wurden eine neue Nassrohmühle und eine Kraftzentrale in Betrieb genommen. 1914 projektierte Architekt Hubert Maresch aus Wien eine „Arbeiter-Badeanstalt“ für das Werk – diese wurde aber weniger aus Fürsorge, denn der gesetzlichen Vorgaben wegen errichtet!

Während des Ersten Weltkriegs litt die Produktion durch den Kohlemangel. Auch fehlte es am Personal, das vielfach für den Kriegsdienst eingezogen worden war. Der Ausbau des Werkes stockte, man versuchte seit 1915 eine neue Zementmühle fertigzustellen. In der Tongrube wurde zur Verbesserung der Tonförderung ein elektrischer Schrägaufzug mit anschließender Kettenbahn eingebaut. 1917 wurde zudem das bestehende Anschlussgleis im Werk verlängert. Im Mannersdorfer Werk wurden während des Ersten Weltkrieges, wie in vielen Betrieben, 22 russische Kriegsgefangene zwangsbeschäftigt. Lokale Arbeitskräfte waren nur schwer zu finden, da die verbliebenen Männer vielfach zu alt, ungeschult oder unterernährt waren. Die geschwächte Produktion lief so noch bis zum Ende des Ersten Weltkrieges und der Monarchie weiter, erst in der jungen Republik sollte sich das Blatt wieder wenden.


Foto 1, 4-6: Drehöfen, 1910 (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 2: Mannersdorfer Zementwerk mit Drahtseilbahn und Eisenbahnstrecke, um 1914 (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 3: Briefkopf der Perlmooser Ag mit Kaiseradler, um 1900 (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)