Online-Gschichtl Nr. 38

Der Reformkaiser in Mannersdorf

Neben Maria Theresia und Franz Stephan war es ihr gemeinsamer Sohn und Nachfolger Joseph II., der mit seiner Reformpolitik die Geschichte Mannersdorfs entscheidend mitgeprägt hat. Michael Schiebinger begibt sich mit dem heutigen Online-Gschichtl zurück in die 1780er-Jahre.

Joseph kam am 13. März 1741 als ältester Sohn von Maria Theresia und Franz Stephan in Schloss Schönbrunn zur Welt. Als Thronfolger wurde er umfassend ausgebildet und früh durch die Ideen der Aufklärung beeinflusst, die die Vernunft des Menschen in den Mittelpunkt stellte – Toleranz sollte geübt werden, Bürgerrechte und das Gemeinwohl sollten gestärkt werden.

1764 wurde Joseph in Frankfurt zum römisch-deutschen König gewählt, um bereits ein Jahr später, nach dem plötzlichen Tod seines Vaters Franz Stephan, die Kaiserwürde zu übernehmen. In den Habsburgischen Ländern regierte weiter Josephs Mutter Maria Theresia, sodass er hier nur Mitregent war. Erst mit dem Tod Maria Theresias 1780 konnte Joseph ein Reformwerk vollends zur Umsetzung bringen, er war nun nicht nur Kaiser und Regent in den Habsburgischen Ländern, sondern als Erbe seiner Mutter auch Inhaber der Herrschaft Mannersdorf-Scharfeneck.

Josephs Reformen betrafen in erheblichem Maße die Strukturen der katholischen Kirche, unter ihm wurden nicht nur die Diözesen neugegliedert, sondern auch neue Pfarren gegründet. Gleichzeitig wurden alle Klöster aufgehoben, die nicht mit Schulunterricht oder Seelsorge der Allgemeinheit dienten. Als „kontemplatives“, also „weltfernes“ und primär dem Gebet dienendes Kloster war nun auch St. Anna in der Wüste in seiner Existenz gefährdet. Die hiesigen Ordensgeistlichen hatten sich nun einer Prüfung zum Beichthören zu unterziehen. Am 16. Mai 1782 erschien die dazu notwenige Prüfungskommission in der Wüste und blieb zwei Tage lang im Kloster. Zwischenzeitlich waren bereits die ersten Klöster aufgehoben worden, daher erschien der Kamaldulenserpater Aquilinus des aufgelösten Klosters auf dem Wiener Kahlenberg in der Wüste und wurde in das hiesige Kloster aufgenommen.

Am 3. Juni 1782 vormittags besuchte Kaiser Joseph II. mit seinem Bruder Maximilian dann höchstselbst die Wüste. Auf dem Weg besichtigten sie die Schutzengelklause und ließen sich dann durch das ganze Kloster führen. Der Kaiser war bei seinem Besuch so freundlich und leutselig, dass die Mönche bereits glaubten, ihr Kloster bleibe von der Aufhebung verschont. Ein Trugschluss, denn am 1. September 1783 wurde das kaiserliche Aufhebungsdekret für das Kloster ausgestellt – der Konvent hatte den Schritt bereits Wochen zuvor geahnt. Am 31. Oktober 1783 verließen die zwölf Mönche die Wüste und begaben sich in das Wiener Bruderkloster, das nicht aufgehoben worden war, weil die Patres zur Seelsorge verwendet wurden. Das Vermögen des aufgelösten Klosters St. Anna belief sich auf über 70.000 Gulden und wurde dem Wiener Konvent einverleibt.

Einen Eindruck von der Mannersdorfer Klosteranlage vor ihrer Aufhebung vermittelt ein Kupferstich von J. Eberspach, der 1780 im Auftrag des Priors P. Heinrich Maria von der hl. Maria Magdalena entstanden war. Grundlage für die Darstellung war der bekannte ältere Kupferstich von Lerch aus dem 17. Jahrhundert, der nun auf den neuesten Stand gebracht wurde. Neben einigen fehlerhaften Details wurden nun auch Bauten wiedergegeben, die im Laufe des 18. Jahrhunderts hinzugekommen waren (Originalplatte im Karmeliterkloster in Döbling).

Nach der Aufhebung des Klosters St. Anna wurde wohl zwecks Bestandsaufnahme eine „Geometrische Mappe über die ehemals denen P. P. Carmeliten, nunmehro aber zur k. k. Herrschaft Mannersdorf angehörigen Wüste“ durch den k.k. Ingenieur Josef von Fernstein erstellt. Die Klosterbesitzungen wurden letztlich der Herrschaft eingegliedert und als Forstbetrieb weitergeführt. Die meisten Klostergebäude wurden in der Folge vernachlässigt und von den Bauern der Umgebung zur günstigen Baumaterialgewinnung heimgesucht.

Neben dem Kloster St. Anna nahm sich die josephinische Reformpolitik auch dem Mannersdorfer Bad an. Im Jahr 1782 wurde der „Medicus Doctor Anton Seydl“ nach Mannersdorf entsandt, um im Badebetrieb den Wundarzt Johann Liegel zu unterstützen. Während vor wenigen Jahren noch zahlreiche Kurgäste nach Mannersdorf geströmt waren, war nun eine sinkende Frequenz feststellbar. Um wieder mehr Gäste anzulocken wurde das Bad 1783 renoviert, neu möbliert und die Umgebung einladender gestaltet. Der Dekan der medizinischen Fakultät der Wiener Universität, Dr. Johann Michael Schosulan, verfasste zudem ein kleines Büchlein zum Mannersdorfer Bad, das gewissermaßen als Werbeprospekt dienen sollte. All die Maßnahmen halfen aber nichts, die Glanzzeit des Bades war endgültig vorbei, das Publikum hatte andere Kurorte für sich entdeckt.

Im Sommer des Jahres 1786 ließ Joseph II. das Bad aufheben und ordnete gleichzeitig an, dass die k.k. privilegierte Leonische Drahtzugfabrik der Firma Schwarzleithner und Comp. aus Wien nach Mannersdorf in das Badhaus übersiedle. Im August 1786 dürfte der Badebetrieb im altehrwürdigen Gebäude gänzlich eingestellt worden sein, während im Gasthaus zum schwarzen Adler ein Wannenbad als dürftiger Ersatz eingerichtet wurde. Indes streckte Joseph II. dem Fabrikanten 20.000 Gulden vor, der die notwendigen Adaptierungsarbeiten und die Übersiedlung im Herbst 1786 beendet hatte. Die Fabrik im alten Badegebäude erzeugte nun vergoldete und versilberte Kupfer- und Nickeldrähte, aus denen Schnüre, Borten, Quasten und dergleichen für Uniformen mehrerer Armeen gefertigt wurden.

Joseph II. verstarb nach nur 10 Jahren Alleinregentschaft am 20. Februar 1790 in Wien. Er hinterließ Reformen in den unterschiedlichsten Bereichen, viele waren damals revolutionär und ihrer Zeit voraus, daher wurden einige nach Josephs Tod wieder zurückgenommen. In Mannersdorf bedeutete die josephinische Reformpolitik das Ende zweier altehrwürdiger Institutionen, gleichzeitig aber auch den Beginn der Industrialisierung.


Foto 1: Reformkaiser Joseph II., Denkmal in Pressbaum (Archiv M. Schiebinger)

Foto 2: Ansicht des Klosters St. Anna in der Wüste vor der Aufhebung, J. Eberspach, 1780 (Archiv M. Schiebinger)

Foto 3: Ansicht des Klosters St. Anna in der Wüste nach der Aufhebung, Josef von Fernstein, nach 1783 (Archiv M. Schiebinger)

Foto 4: Beschreibung des Mannersdorfer Bades vor seiner Aufhebung, Johann M. Schosulan, 1783 (Archiv M. Schiebinger)

Foto 5: Altes Badegebäude (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)