Online-Gschichtl Nr. 70

Von der Legurva zur Siedlung Hochleiten

Heute verfügt Mannersdorf über einige Siedlungen, doch vor wenigen Jahrzehnten war diese planmäßige Aufschließung mit Wohnbauten bei uns noch Neuland und brachte so manche Tücke mit sich. Das heutige Online-Gschichtl widmet Michael Schiebinger einer Mannersdorfer „Ur-Siedlung“, der Hochleiten. Er dankt Christl und Hans Amelin, Christa Jann sowie Grete und Erich Korn für die zahlreichen Anmerkungen und die historischen Fotos.

 

Im und nach dem Ersten Weltkrieg herrschte auch in Mannersdorf eine Lebensmittelknappheit, während sich die Bauern und Hausbesitzer zumindest durch den Anbau im eigenen Garten bzw. am Feld verpflegen konnten, war dies den Wohnungsmietern und Arbeiterfamilien nicht möglich. Die Marktgemeinde verpachtete daher 1919 ihre Gründe auf der Legurva, um für Abhilfe zu sorgen. Den ungewöhnlichen Namen „Legurva“ trug damals der Landstrich zwischen dem Ostende des Tattendorfs und dem Schweingraben. Bereits Oberst Schatek hat sich mit diesem besonderen Gebiet beschäftigt, um 1900 sei es noch eine magere, trockene, von Grillen und Zieseln bevölkerte Viehweide gewesen, auf der vereinzelt weidende Kühe anzutreffen waren. Während des Ersten Weltkrieges führte dann, wie erwähnt, die Lebensmittelknappheit dazu, dass versucht wurde die Legurva zu kultivieren.

Wie Schatek festhielt, wurde der Name Legurva im Volksmund verwendet, niemand wusste aber, ob man jetzt „Leguafa“ oder „Ligoafa“ schreiben sollte, geschweige denn, von wo der Name herkam. Schatek kam dem Wortursprung dann aber doch auf die Schliche, denn es handelt sich um einen Fachausdruck der ehemaligen Leonischen Drahtzugfabrik. Die dort aus Gold- und Silberdraht hergestellten Schnüre und Borten wurden als „Legatur“ bezeichnet. Bei der Produktion fiel auch jede Menge Abfall an, im Laufe der Zeit übertrug sich dann der Begriff der „Legatur“ von den fertigen Produkten auf den Abfall. Die Mengen an Abfall, also „Legatur“ wurden gesammelt und jährlich im Spätsommer in der „Schindergrube“ beim Schweingraben verbrannt. Das „Legaturfeuer“ war weithin zu sehen und auf der Gasse hieß es schnell „D'Legur vabrennt!“. Die Bezeichnung des Ereignisses wurde dann durch den Volksmund offensichtlich auf den Standort übertragen und so hieß es fortan „Die Legurva brennt!“

Ab 1932 entstanden dann die ersten Wohnbauten auf der Legorva, die 1935 offiziell in „Hochleithe“ umbenannt wurde. Der bisherige Name dürfte wohl den Gemeindevätern nicht gepasst haben, wer nennt eine Wohnsiedlung schon nach der Gstetten, auf der sie entstand. Der neue Name leitet sich von der „Hohen Leite“ ab, ein im deutschen Sprachraum weit verbreiteter Flur- und Bergname. Die „Leite“ ist schlichtweg die Bezeichnung für einen Berghang. Auf der Mannersdorfer „Hochleithe“ wurden noch 1935 vier Bauplätze an Johann Martschitz, Leopold Braugger, Hermann Bauer-Wolf und August Nagl vergeben.

Die großzügige Aufschließung der Hochleiten als Siedlungsgebiet erfolgte aber erst später. Mit dem Beginn der Wirtschaftswunderjahre um 1960 entstand auch in Mannersdorf ein hoher Bedarf an Wohnungen. Zwar gab es bereits einige Mehrparteienhäuser, doch setzte die Gemeindeführung vor allem auf Einfamilienhäuser, um dem Wohnungsmangel zu begegnen. Die junge Generation begründete in den 1960er-Jahren ihre eigenen Familien und stand am Beginn des Babybooms. Die Marktgemeinde ging deshalb daran, ihre Eigengründe auf der Hochleiten zu parzellieren und an interessierte Mannersdorfer Familien abzugeben. Es gab ein offizielles Anmeldeverfahren, doch munkelt man, dass dieses mitunter auch zu umgehen war. Ab 1968 wurden die Bauplätze dann vergeben und die ersten Interessenten konnten ihre vorab ausgesuchten Grundstücke übernehmen. Baumeister Franz Waidbacher übernahm die Ausführung bei vielen der neuen Häuser, während Friedrich Hoch die Einreichpläne zeichnete. Die jungen Bauherren brachten sich aber oftmals selbst in die Planung ein. Auch bei der Ausführung wurde viel in Eigenleistung mit Familie und Freunden umgesetzt, die finanziellen Mittel waren ja meist beschränkt. Manchmal wurde improvisiert und Material zweitverwendet, aber auch damals moderne Selbstbaudecken waren willkommene Sparmöglichkeiten.

Die ersten neuen Häuser in der Siedlung entstanden an der nördlichen Zeile der Oberen Hochleiten und in den Seitengassen, diese Objekte wurden zu Beginn der 1970er-Jahre bezogen. Die ersten Bewohner waren wirkliche Pioniere, denn die Straßenzüge waren erst provisorisch hergestellt, die Kanalisation war überlastet und die Baugründe boten manche Überraschung. Die Hochleiten war ja zuvor noch lange als „Mistgstetten“ für den Hausrat verwendet worden – die karge, steinige Gegend schreckte daher einige Bauplatzinhaber wieder ab. Aber aller Anfang braucht halt Zeit und bald wurden weitere Bauplätze aufgeschlossen, so entstand die rechte Zeile in der Oberen Hochleiten. Der Spielplatzweg kam auch noch dazu, dort sollten zunächst Mehrparteienhäuser entstehen, gegen die sich aber Widerstand formierte und so wurde das Konzept der Einfamilienhäuser fortgeführt. Zuletzt wurde dann auch noch die nördliche Zeile der Unteren Hochleiten bebaut. Die jungen Familien schlossen sich zusammen und errichteten noch 1976 in Eigenregie einen Spielplatz am Rand der Siedlung.

Neben den Straßenbezeichnungen „Hochleiten“ (auch inoffiziell „Untere Hochleiten“) und „Obere Hochleiten“ kam im Laufe der Siedlungsentwicklung neue Straßennamen hinzu. So der „Föhrenweg“, der auf den angrenzenden Föhrenwald Bezug nimmt, oder der „Spielplatzweg“ der selbsterklärend ist. Ein Spaziergang durch die „Berggasse“ zeigt, warum sie so heißt, hier ist der Anstieg wirklich am steilsten. Die „Hubertusgasse“ ist eine Referenz an die Jägerschaft und ihre Hubertuskapelle am nahen Schweingraben. Der Name „Laternenweg“ hingegen klingt zunächst etwas seltsam, bezieht sich aber auf die damals modernen Straßenlaternen, die hier erstmals in Mannersdorf zum Einsatz kamen – die Straßennamen wurden übrigens von den Anrainern selbst ausgewählt.

 

Die Bewohner der Hochleiten konnten und können sich längst mit ihrer Siedlung identifizieren, auch Straßenfeste wurden gefeiert und förderten das Miteinander. Streiterprobt blieben die Anrainer als unter Bürgermeister Strobl die große Fläche des Spielplatzes bebaut oder der Föhrenwald abgeholzt werden sollte – das Projekt wurde nicht mehr weiterverfolgt. In jüngerer Zeit schaffte es die Hochleiten mit ihren Bewohnern sogar in die Lokalpresse, das derzeit entstehende Wohnbauprojekt am Spielplatzweg erregt(e) die Gemüter. Die Siedlung Hochleiten zählt heute gut 80 Wohnhäuser auf einer Fläche von etwa 6,8 Hektar.


Foto 1: Das Straßenschild "Hochleiten" (Michael Schiebinger)

Foto 2: Die Hochleiten vor Beginn des Siedlungsbaues, 1960er-Jahre (Grete und Erich Korn)

Foto 3: Bauplatz der Familie Korn, 1969 (Grete und Erich Korn)

Foto 4: Die ersten Häuser am Föhrenweg, 1970 (Grete und Erich Korn)

Foto 5: Häuser Korn und Opferkuh (Grete und Erich Korn)

Foto 6: Bauplatz der Familie Jann (Christa Jann)

Foto 7: "Pionierstimmung" am Föhrenweg (Christa Jann)

Foto 8: Straßennamen in der Siedlung (Michael Schiebinger)

Foto 9: Der in Eigenregie errichtete Spielplatz der Siedlung, 1976 (Hans Amelin)

Foto 10: Weitere Straßennamen in der Siedlung (Michael Schiebinger)