Online-Gschichtl Nr. 78

Weihnachten bei den "Woi-Behm" - Von Einkaufsfahrten und Christbaumverkäufern

Im zweiten Teil seiner Erzählungen zur Weihnachtszeit in Wasenbruck nimmt uns Johann Amsis heute mit auf eine abenteuerliche Einkauffahrt und zu hartnäckigen Christbaumverkäufern aus Hof.

 

In der Vorweihnachtszeit wurden auch schön langsam Geschenke für Weihnachten besorgt. Es hat sich damals eingebürgert mit dem Omnibus nach Wien auf die Favoritenstraße zu fahren, um Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Für uns Kinder war das ein Erlebnis, wie wenn man heute in ein Flugzeug steigen würde, um in Mailand für Weihnachten einzukaufen. Mit dem „8er-Autobus“ begann die abenteuerliche Fahrt nach Wien. Die damaligen Busse waren mit dem heutigen Komfort nicht annähernd zu vergleichen, ich würde sagen, es war am ehestens die „Holzklasse“. Die Straßen hatten mehr Schlaglöcher als Asphalt, weite Teile davon waren Pflasterstraßen. Winterliche Straßenverhältnisse, Schneeverwehungen, Glatteis, kaum gestreut, schon gar kein Salz. Bis Himberg war etwas Schotter gestreut, von dort nach Wien war es etwas besser. Die Fahrkarten wurden im Bus beim Chauffeur gekauft, der diese mit einer eigenen Schaffnerzange entwertete. Im Bus hat es durch die Dieselheizung gestunken, dass die Augen tränten, aber alles kein Problem, wir wollten ja unbedingt nach Wien. Himberg war immer ein nerviger Halt, denn da mussten die Busse nach Wien oder nach Schwechat für den Anschluss zusammenwarten – das dauerte oft bis zu einer Viertelstunde lang und man wurde immer ungeduldiger. Endlich ging es weiter, bis nach Maria Lanzendorf zum Bahnschranken, der natürlich zu war, bis der wieder aufging dauerte ebenfalls eine kleine Ewigkeit. Bis zur Station Rothneusiedl ging es halbwegs flott dahin, aber dann wurde es interessant, die hohen Häuser und die Straßenbahn kannten wir ja nur von den seltenen Fahrten nach Wien. Der Autobus kämpfte sich durch den Stau bis zur nächsten Station, dem Amalienbad am Reumannplatz. Da kam man aus dem Staunen schon nicht mehr heraus, die elektrische Weihnachtsbeleuchtung und das Glitzern von den festlich geschmückten Auslagen, die vielen Leute und Fahrzeuge, das kannten wir in Wasenbruck ja nicht. Dann noch ein paar Minuten Fahrt bis zum Südtiroler Platz, aus dem „warmen“ Autobus hinaus in die Kälte. Dort pfiff der Wind so kalt, dass ich froh war, dass mir die Eltern die „zwirnerne“ Strumpfhose zum Anziehen aufgezwungen haben. Eine Pudelmütze mit Quastl bis über beide Ohren heruntergezogen, ein paar selbst gestrickte Fäustlinge mit einem dicken Faden über beide Ärmel miteinander verbunden, so ging kein Fäustling verloren.

 

Dann marschierten wir entlang der weihnachtlichen Favoritenstraße um einiges einzukaufen, manchmal musste ich vor dem Geschäft warten, da das Christkind auch auf der Favoritenstraße Einkäufe tätigte. Manchmal begegnete man auch schon mal dem Weihnachtsmann persönlich, der hinterließ einen sehr großen Eindruck und spornte an, vor Weihnachten besonders brav zu sein, damit mit den Geschenken nichts schief ging. An manchen Kreuzungen konnte man schon seltsame Fahrzeuge beobachten, von einem Stockautobus hatte ich nämlich vorher noch nie etwas gesehen oder gehört. Wir gingen weiter bis zum Viktor-Adler-Markt, dort gab es eine kleine Jause, eine „Roßlewakassemme“ (Pferdeleberkässemmel). Ebenfalls zum weihnachtlichen „Pflichteinkauf“ gehörten Boxheandl und Lakritze, geschmeckt hat das in Wahrheit eigentlich niemanden. Aber als meine Eltern Kinder waren, galten diese Süßwaren als Leckerbissen und waren aus ihren Erinnerungen heraus für Weihnachten unverzichtbar. In der Landgutgasse gab es dann ein alteingesessenes Beisl, das Gasthaus Human, mit einer ausgezeichneten Küche, zu dem fast alle Wasenbruckerzum Mittagessen gingen, wenn sie in Wien waren. Die Weihnachtsbeleuchtung, die weihnachtlich dekorierten Schaufenster, die vielen bunten Werbeschilder an den Geschäften und die Maronibrater lenkten einem schon ab. Aber Vorsicht, an jedem Eck war das kreischende Geräusch der Straßenbahnen, wenn sie um die Kurven brausten. Ein Spruch, den man immer zu hören bekam, wenn man nach Wien fuhr, war immer die Warnung: „Pass auf, dass die da Werklmau ned zaumfiad“. Man sollte also auf die Straßenbahn achten, die man am Land ja nicht gewohnt war. Gegen Abend ging es vollgepackt mit Taschen und Säckchen zurück zum Südtiroler Platz, wo schon der Autobus zur Heimfahrt bereitstand. Nach über einer Stunde kamen wir vom Bus vollkommen durchgeschüttelt wieder zu Hause an, glücklich über den gelungenen Weihnachtsbummel und mit einer großen Vorfreude auf das Fest.

 

Weihnachten konnte nun eigentlich kommen, aber halt, eines habe ich noch vergessen, den Christbaum. Mitte Dezember kamen die „Hofer Krowodn“ zu den „Woi Behm“, um ihre Christbäume zu verkaufen. Am Gehsteig vor der Mauer beim Konsum hatten sie die Bäume angelehnt, damit man sie begutachten konnte. Man musste mit den Hofern feilschen, dass die „Fetzn flogen“. Wenn der Käufer nicht gehandelt hat, waren die Händler direkt enttäuscht und vor den Kopf gestoßen. Als Kind habe ich so eine Verhandlung in der ach so besinnlichen Vorweihnachtszeit miterlebt, zwischen dem Christbaumverkäufer und meinem Vater, die mir bis heute in Erinnerung geblieben ist. Mein Vater hat einen Baum ausgesucht und den Verkäufer gefragt wieviel das Stück kostet. Es folgte ein hitziger Dialog. Verkäufer: „Fuchz Schülling“; Vater: „Wos, fia de Krautstaun“; Verkäufer: „Des is a supa Bam“; Vater: „An Zwanzga gib ih da“; Verkäufer: „Bist depad, is jo vü zwenig, gib Viazg her, daun passts“; Vater: „Du Hoisoschneida, meah wie dreissg gib ih da ned“; Verkäufer: „Nah des tua ich ned, do vahatz in eam liawa“; Vater: „Daun koit dan“. Mein Vater dreht sich um und geht, sagt aber leise, so dass es der Verkäufer hören konnte: „Daun stüh ih dan heit Nocht aus dein Woid, daun hosd goa nix“. Der Verkäufer reagierte und schrie ihm nach: „Fünfadreissg“. Vater dreht sich um und schlägt wohlwollend in die Hand des Verkäufers ein. Alle waren zufrieden, keiner böse, jeder hatte seinen Spaß und ich einen Christbaum.

 

Fortsetzung folgt …


Foto 1: Ein alter Postautobus auf Weihnachtsfahrt (Steyr) (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 2: Das Amalienbad am Reumannplatz, solche Bauten sorgten für staunende Blicke (ÖNB/AKON, AKON_AK035_229)

Foto 3: Favoritenstraße im Advent 1980, bereits mit U-Bahn und Fußgängerzone (Wikipedia, Kurt Rasmussen)