Online-Gschichtl Nr. 81

Zum Jahreswechsel

„Ist‘s zu Silvester kalt und klar, ist am nächsten Tag Neujahr“, solche und andere Weisheiten läuten den Jahreswechsel ein. Unser fleißiger „Gschichtldrucker“ Johann Amsis hat ja bereits die Weihnachtszeit in Wasenbruck beschrieben und so soll er nun auch zu Silvester ein wenig von früher erzählen.

 

Als mich Michael Schiebinger gefragt hat, ob ich nicht eine Geschichte über den Jahreswechsel habe, dachte ich kein Problem, aber jetzt da ich hier sitze und mich frage, über welche von den gefühlt „hundert“, die ich jetzt schon erlebt habe, soll ich jetzt schreiben. Nah gut, fangen wir mit einem Silvester aus den Kindertagen an. „Wieder mal Siwösta“, dies war ja ein fast normaler Arbeitstag in der Wasenbrucker Fabrik, bis vier oder fünf am Abend musste gearbeitet, werden. Beim Nachhausegehen ging es für die Eltern noch schnell in den Konsum, um einen weißen Wecken für die Silvesterbrötchen zu kaufen und natürlich den Belag dafür. In den Tagen meiner Kindheit waren die Siwöstabrötchen ein Muss für den Jahreswechsel und manchen anderen Feiertag. Also schnell heim, die Eier hingestellt, um sie hart zu kochen. Was war eigentlich drauf auf so einem Brötchen? Also der weiße Wecken wurde feinsäuberlich aufgeschnitten, mit Butter bestrichen, dann ging es los, einmal eine Scheibe Extra, auf das nächste eine Scheibe Krakauer, auf das übernächste eine Scheibe Kantwurst, das war sozusagen die Grundausstattung. Als nächstes je eine Scheibe Käse, Eier wurden geschält. Dann kam meine Aufgabe, mit dem Eierschneider habe ich relativ kleine Scheiben geschnitten und auf jedes Brot gelegt. Eine Scheibe Essiggurkerl, geschnittener eingelegter roter Paprika, ein geschnittenes Stück Russln, ein Stück Speck, wegen dem Geschmack, sagte meine Mutter immer, ein bisserl Mayonnaise und ein paar Bröserl Kaviar. Das war mein Begriff von einem Siwöstabrötchen. Die wurden im Laufe des Abends nach und nach aufgegessen. Mit viel Glück sind einige übriggeblieben, zwar schon ein bisschen eingedorrt, aber das waren zum Frühstück die allerbesten.

In meinen Kindertagen gab es meinen Erinnerungen nach noch kein Feuerwerk, die Erwachsenen hatten noch genug von den Stalinorgeln und den Bombardements, die sie im Zweiten Weltkrieg erleben mussten. Aber halt, so kleine „Kinderraketen“ gab es schon, so rötliche Grillspisse mit einer kleinen Pulverkappe daran. Wenn sie mit dem Benzinfeuerzeug oder Streichholz angezündet wurden, machte es meist „ssssrrrrsrsrsrst“, rauchte wie Schwein und sonst war nichts. Knallerbsen gab es, wenn man die auf den Boden warf, machte es „pitsch“ und das war es. Was mir gut gefiel, waren die Bengalischen Zünder, das waren größere Streichhölzer mit einem schwarzen Zündkopf, die entweder rot oder grün brannten. Aber zurück zum Jahreswechsel, um Mitternacht liefen im Radio die Bummerin und der Donauwalzer, wenn wir es nicht verschlafen haben – dann folgte das obligatorische Bleigießen.

In späteren Jahren, als ich dann schon älter war, habe ich auch schon etwas vom Silvesterball mitbekommen und im Laufe der Jahre auch daran selbst teilgenommen. Der Silvesterball, war der Nobelball von Wasenbruck, abgehalten im Kinosaal. Dafür wurden immer die Sitzreihen entfernt, die Kinoleinwand abgenommen, der Saal wurde festlich dekoriert mit Krepppapiergirlanden und vielen bunten Lampions, Papier oder Sektflöten. Glücksklee und Glücksschweinchen wurden als Bilder an den mit Holz und Krepppapier verkleideten Fenstern angebracht. Der alte Herr Graschopf, war immer ein eifriger Ballgeher, aber wenn er in der Fabrik gefragt wurde, ob er am „Siwösta“, gemeint war der Silvesterball, geht, gab er immer die Antwort: „geh, ich woa eh scho auf hundat Siwösta, ich geh heia ned“. Er ist aber dann doch wie alle Jahre gegangen, hundert wird er nicht zusammengebracht haben, aber einige sind schon zusammengekommen.

Ausgerichtet hat den Ball die Mannschaft der Betriebsfeuerwehr der Firma Hutter und Schrantz. Unsere Gastwirtin, Frau Hölzl, verwöhnte uns mit Ihrer Gastronomie vom Gulasch über Schnitzel bis zu den Russischen Eiern, Bier und Wein in Litermengen. An der rechten Seite des Saales gab es eine Schnapsbar, die bestens besucht war. Damals war es auch noch leistbar, zehn oder fünfzehn Leute auf ein Stamperl einzuladen, ohne dass im Geldbörserl Ebbe war. Die Bälle waren legendär, da wurde echt die Sau rausgelassen. Die Bernleitner-Kapelle hat aufgespielt, in späteren Jahren „The Teddys“ aus Götzendorf oder die „Scotch Combo“ aus Mannersdorf – immer eine Stimmung wie beim Oktoberfest in München.

Meine Eltern hatten die Garderobe am Ball über, im Vorraum des Kinosaales waren Garderobenhaken montiert und meine Eltern nahmen die Jacken und Mäntel entgegen bzw. gaben sie wieder aus. Ein kleines Fenster, wo ansonsten die Kinokarten verkauft wurden, war geöffnet, damit sie das Ballgeschehen beobachten konnten. Manchmal durfte ich bis 22:00 Uhr bei ihnen sein und die Musik und die Tänzer beobachten. Eines habe ich noch besonders in Erinnerung, da gab es einen Schlager „Stell dir vor es geht das Licht aus, sag was würdest du dann tun“. Dann kam der Refrain „finster, finster“, da schaltete jemand das Licht im Saal aus und ein großer Schmatz war zu hören. Da hatten die Tänzer ihren Partnerinnen einen Schmatz aufgedrückt und schon brannte das Licht wieder. Die Kellner haben sich derweil die Füße wund gelaufen, Toni Hölzl, Rudl Radek oder auch Peter Hummel gaben ihr Bestes und versorgten die Gäste. Um Mitternacht hieß es „Prosit neix Joah“, es wurde mit einem Glas Sekt angestoßen – in jungen Jahren war es immer Hochriegel, später dann Schlumberger und heute Henkel trocken. Anschließend ging das Gebussle und das Gratulieren los, Glücksbringer wurden verteilt. In der Mitternachtspause der Musik gab es traditionell ein Wiener Schnitzel mit Erdäpfelsalat. Die Wasenbrucker waren beim Feiern schon sehr standhaft, die Tanzfläche getreten voll, so eine rauschende Ballnacht ging schon mal bis um 8 Uhr in der Früh weiter.

Am Neujahrstag war sehr oft strahlender Sonnenschein, es war eiskalt und es lag viel Schnee. Ein Spaziergang durch die verschneite Au mit dem tiefgefrorenen Schnee auf den Wegen stand dann an. Wenn dir wer begegnet ist, haben die Kinder Neujahr gewünscht: „Prosit neix Joah, s’oide is scho goa!“ Die so „gewünschten“ Leute haben in die Tasche gegriffen, die Geldbörse rausgenommen und jedem Kind 10 Schilling gegeben. Manchmal gab es auch „Schokoschülling“ oder Marzipanschweinchen – war ein schöner Brauch. Ein anderer Spruch war noch: „Ich winsch, ich winsch, ich was scho wos, greif in Sog und gima wos“.

Im Kinosaal waren inzwischen die Heinzelmännchen am Werk, haben sauber gemacht, die Tische und Bänke entfernt, die Kinoleinwand und die Kinositze montiert, sodass pünktlich die Kindervorstellung mit einem Film von Dick & Doof um 15:00 Uhr beginnen konnte. Und so fing auch für die „Woi-Behm“ ein neues Jahr an ….


Foto 1: Silvesterball in Wasenbruck (Kurt Tobler)

Foto 2: Silvesterball in Wasenbruck (Ingrid Feichtinger)

Foto 3: Ausgelassene Ballstimmung bei der Werksfeuerwehr ... (Ingrid Feichtinger)

Foto 4: ... und idyllische Winterruhe am Werkskanal (Archiv Johann Amsis)