Online-Gschichtl Nr. 86

Von Unfällen und anderen Schicksalen - Teil 3

Im dritten und letzten Teil des Online-Gschichtls stehen heute die Gewaltverbrechen der ach so „guten alten Zeit“ im Mittelpunkt der Betrachtung, denn auch Mannersdorf war keine „Insel der Seligen“.

 

Die Bewohner von Mannersdorf und Wasenbruck wurden nicht nur durch Unfälle auf tragische Weise aus dem Leben gerissen. Gewaltsame Tode durch Fremdeinwirkung, sprich Mord- und Totschlagsdelikte, gab es aber im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dennoch vergleichsweise wenige. Ein solcher Mord ereignete sich im Jahr 1811 während der Napoleonischen Kriege. Damals wurde der 28-jährige Peter Lagrange mit zwei Kugeln von einem unbekannten Täter erschossen. Das Opfer Lagrange war ein französischer Kürassier und musste nach den Schüssen noch 10 Stunden leiden, eher er verstarb. Der Soldat war der Sohn eines Handelsmannes und stammte aus Duravelle in den Niederlanden. Er war 1806 in Mannersdorf mit Anna Maria Hafner die Ehe eingegangen und lebte hier bis zu seinem gewaltsamen Tod 1811.

Weniger Jahre später ereignete sich eine weitere Bluttat in Mannersdorf. Die Mannersdorfer Witwe Barbara hatte den 23-jährigen Knecht Michael Höldl geheiratet. Am 13. November 1833 kam der Gatte angeheitert vom „Bierhause“ zurück und schlief auf der Ofenbank sitzend ein. Voller Wut nahm Barbara Höldl eine Holzhacke und schlug auf ihren Mann ein. Michael Höldl wurde trotz Gegenwehr mit 32 Schlägen zu Tode gebracht. Barbara steckte ihren ermordeten Gatten in eine Butte und trug ihn zum Mühlbach, wo sie ihn ins Wasser warf. Zuhause beseitigte sie alle Spuren und meldete den Gatten vermisst – dennoch kam man ihr auf die Schliche. Am 10. Februar 1834 wurde Barbara Höldl vom herrschaftlichen Gericht wegen „meuchlerischem Gattenmord“ zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Todesurteil wurde am 5. Juni 1834 um 8 Uhr morgens am Türkenbergl bei der Wasenbrücke vollstreckt.

Einen Mordversuch gab es dann in der Zwischenkriegszeit, wie der Bezirksbote berichtete. 1929 versuchte Anna Kolhanek mitten auf der Mannersdorfer Hauptstraße ihren Lebensgefährten Franz Gablek zu erschießen. Dieser wurde zwar getroffen, konnte jedoch mit Verletzungen mittels des neuen Rettungsautos in die Rudolfsstiftung gebracht werden und überlebte. Eine der Kugeln hatte auch die unbeteiligte Aloisia Kühschitz getroffen, die in häuslicher Pflege ihre Verletzung auskurieren konnte. Die Täterin wurde von der Gendarmerie verhaftet und dem Bezirksgericht übergeben.

Zwar blieb Mannersdorf weitgehend von Gewaltverbrechen verschont, doch die Zahl der Selbstmorde war zeitweise erschreckend hoch. Die Gründe für die „Freitode“ sind dabei nicht näher ergründbar, vielleicht waren es finanzielle Sorgen, unerwiderte Liebe, unheilbare Krankheiten oder psychische Ausnahmesituationen, die die Menschen in den Tod trieben. In den Sterbebucheinträgen wurde von den Geistlichen meist nur festgestellt, dass die Taten aus „Sinnesverwirrung“ verübt wurden. Selbstmördern war ja ein kirchliches Begräbnis versagt, deshalb wollte man mit dem Hinweis auf den vorgeblichen Geisteszustand die Tat in einem anderen Licht erscheinen lassen – so wurde doch noch eine Beisetzung in geweihter Erde möglich.

In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Selbstmorde noch selten, 1841 erschoss sich der erst 21-Jährige k.k. Finanzwachaufseher Anton Radurfer. 1846 erhängte sich der Witwer Josef Weiß mit 64 Jahren, 1854 erschoss sich der herrschaftliche Wirtschaftsaufseher Tobias Zeuß. 1855 nahm sich Josef Andraschky, 1859 Paul Forstner, 1862 Andreas Wendel, 1863 Mathias Zorn, 1866 Franz Toifl und 1866 Josef Burschischek das Leben.

Dann trat eine zeitliche Pause ein, erst 1891 kam es mit dem „Häusler“ Simon Lukowitsch zu einem weiteren Selbstmordfall. Bereits im Jahr zuvor wurde Anna Messeritsch ertrunken im Werkskanal bei Wasenbruck aufgefunden, man ging von Selbstmord aus. 1895 setzte Johann Pitschmann seinem Leben ein Ende. Im Folgejahr brachte sich Andreas Radatz um, er verstarb wohl vereinsamt und ohne dass es jemand bemerkte, denn er wurde erst zwei Monate nach der Tat aufgefunden. 1896 nahm sich der Witwer Jacob Kopetzky in hohem Alter das Leben. Die 55-jährige Maria Opferkuh beging 1905 Selbstmord durch Ertrinken, da sie, wie im Sterbebuch vermerkt wurde, an einer unheilbaren Krankheit litt. Im selben Jahr nahm sich auch der Fabriksarbeiter Michael Windberger durch Ertrinken das Leben. Er soll bereits zuvor Selbstmordversuche unternommen haben. Im Mai 1906 erschoss sich der 22-jährige k. u. k. Ökomomieadjunkt Ingo Hölzel. Er war der Sohn eines gleichnamigen Druckwerkbesitzers aus Wien und wurde daher am Zentralfriedhof beigesetzt. 1907, 1909 und 1910 nahmen sich jeweils Männer im hohen Alter das Leben, womöglich um einem schweren Leiden zu entgehen. 1910 stürzte sich dann der Wirtschaftsbesitzer Anton Reichhart in Selbstmordabsicht vor die Gleise der Eisenbahn und wurde von einer Güterzuglokomotive überrollt. Bis 1916 folgten in Mannersdorf weitere vier Selbstmorde durch Erhängen. Im Kriegsjahr 1914 zog sich der Wasenbrucker Weber August Schlechter einen tödlichen Kopfschuss zu, wohl in Selbstmordabsicht. 1925 verübte dann Juliane Bauer mit 65 Jahren Selbstmord durch Ertrinken.

Besonders auffällig ist in Mannersdorf die Häufung von Selbstmorden ab der Mitte der 1920er-Jahre, bis zum Ende des Jahrzehntes nahmen sich 9 Personen das Leben. Unter ihnen waren Bauern und Arbeiter, vielleicht gerieten sie durch die damalige Weltwirtschaftskrise und den Währungsverfall in Bedrängnis und suchten im Suizid den vermeintlichen Ausweg. Diese Annahme wird jedenfalls durch den Tod des 20-jährigen Wilhelm Friedrichkeit bestärkt, der sich 1932 wegen seiner Arbeitslosigkeit im Herrschaftswald das Leben nahm. Ein Jahr danach erschoss sich Friedrichkeits Bruder Franz, da er ebenfalls keinen Ausweg mehr sah. Wie ein Zeitungsartikel berichtete, war Franz Friedrichkeit wenige Tage zuvor angezeigt worden, weil er Nägel aus dem Zementwerk nach Hause genommen hatte. Nach der Hausdurchsuchung (!) der Gendarmerie fürchtete er nun seine Entlassung. Der Fall zeigt, dass man in dieser politisch aufgeheizten Zeit auch wegen „Lappalien“ ohne Verhältnismäßigkeit vorging.

 

Tragisch ist auch das Schicksal des jungen Josef Tatzber, der Infanterist wollte 1931 mit 24 Jahren seinem Leben mit einem Brustschuss ein Ende setzen. Der Verwundete wurde noch in das Allgemeine Krankenhaus eingeliefert, wo er dann verstarb. Im Juli 1934 verübte dann die gerade einmal 21-jährige Hausgehilfin Anna Ebenführer in der Tattendorfgasse Selbstmord durch Erhängen. Auch im weiteren Verlauf der 1930er-Jahre ist die Fallzahl an Selbstmorden durch Erhängen in Mannersdorf erschreckend hoch geblieben, 1937 und 1938 beendeten jeweils 3 Bewohner des Ortes so ihr Leben. In Wasenbruck ereignete sich in den 1930er-Jahren hingegen nur ein einziger Selbstmord. Im März 1938 kam es in Mannersdorf zu einem tragischen, noch heute in der älteren Generation präsenten Selbstmord. Der 17-jährige Schüler Alois Baletka nahm sich im Wald auf der Platte mit einem Schuss das Leben – angeblich war er unglücklich verliebt. An dieses Ereignis erinnert und mahnt noch heute an Ort und Stelle ein Gedenkstein.


Foto 1: Todesurteil gegen die Gattenmörderin Barbara Höldl, 1834 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Zeitungsbericht zum Mordversuch im Jahr 1929 (Brucker Bezirksbote)

Foto 3: "Selbstmord durch Sturz unter die Räder einer Lastzuglokomotive" (Matricula, Pfarre Mannersdorf, Strebebuch 1900-1916)

Foto 4: Zeitungsartikel zu einem tragischen Selbstmord (Brucker Bezirksbote)

Foto 5: "Brustschuß. Selbstmord in Folge Sinnesverwirrung." (Matricula, Pfarre Mannersdorf, Strebebuch 1917-1938)

Foto 6: Gedenkstein für Alois Baletka, Aufnahme von 1940 (Archiv Johann Amsis)