Online-Gschichtl Nr. 87

Eine kulinarische Zeitreise zu den Woibehm

Das viele Gschichtlschreiben und auch das Gschichtllesen macht schon etwas hungrig, deshalb nimmt uns Johann Amsis diesmal mit auf eine spezielle Zeitreise und erzählt uns ein wenig von der Kulinarik anno dazumal.

 

„Klezn-Seppe, heb dein Huat, des Griasn tuat an jed’n guat“, war ein Satz den man früher allen Kindern beigebracht hat, um sie zum Grüßen zu bewegen. Der Satz ist mittlerweile in die Jahre gekommen und manche werden mit dem Wort „Klezn“ nichts mehr anfangen können. Er lautet übersetzt etwa: „Gedörrter Birnen-Josef, hebe deinen Hut, denn das Grüßen tut einem jeden gut“ – Klezn sind also gedörrte Birnen. Also liebe Leser, ich möchte mich diesem Sprichwort fügen und euch alle auf das Allerherzlichste begrüßen!

Wusstet ihr eigentlich, dass wir in den 1960er-Jahren in Wasenbruck schon Email hatten? Sogar schon Austria-Email, das durfte in keinem Haushalt fehlen, dazu brauchte man keinen Computer, keinen Bildschirm, nicht einmal einen Stromanschluss – aber man konnte damit und darin kochen!

Ja, wie war das damals mit dem Kochen. Es gab ja noch keine elektrische Kochplatte, keinen Mixer, keine Küchenmaschine, keine Mikrowelle, nicht einmal einen Eiskasten hatten die meisten. Das hat sich zwar mit den Wirtschaftswunderjahren rasch geändert, aber zum Zeitpunkt der Geschichte, die ich hier erzähle, also um 1960, war es so. In Wasenbruck waren ja sehr viele in der Fabrik beschäftigt, da wurde viel Schicht gearbeitet, jeder hat praktisch zu anderen Zeiten Mittag oder Abend gegessen. So musste etwas gekocht werden, was leicht zu wärmen war, oft aufgewärmt werden konnte und aus Mangel an einem Eiskasten nicht gekühlt werden musste. Gemüse kam je nach Saison auf den Tisch, Fleisch wenn Herr Danzinger seine Filiale geöffnet hatte.

Wenn man Werbefilme von damals anschaut, wurde die Frau immer als Heimchen und dem Mann untertänigst dargestellt, na ja, ganz so war es in Wasenbruck dann doch nicht. Die Hausfrau war zwar in der Küche, der Hausmann war aber nur ein solcher, wenn er tat, was seine Frau wollte. Da wirkte noch die Vergangenheit nach, denn während des Zweiten Weltkrieges hatten viele „Frauen ihren Mann zu stehen“, weil die Männer an der Front waren. Die Frauen mussten in der Wasenbrucker Fabrik auch die schwere Arbeit erledigen, die sonst die Männer machten. Sie waren bei der Feuerwehr, machten Gartenarbeit und sie hielten die Kinder in Zaum. Als die Männer vom Krieg oder der Gefangenschaft zurückkamen, traten ihnen vielfach starke, selbstsichere Frauen entgegen, die sich nicht mehr alles gefallen ließen. Wenn freitags in der Fabrik Zahltag war, stand so manche Frau beim Portier parat, um ihren Gatten „auszusackeln“ – den Lohn gab es ja immer bar in Papiersackerln. Da war es gut, wenn die Frauen die Barschaft an sich nahmen, bevor der Göttergatte damit im Wirtshaus seinen Durst stillte. Es ging in den Wasenbrucker Haushalten daher im Umgangston manchmal etwas rauer zu. In den 1960ern musste sich der Mann bequemen und einmal Holz für den Ofen holen, sonst hat nicht nur der Ofen, sondern auch die Köchin gestreikt. Und dann das Anheizen erst! Die Arbeiterzeitung (!) zusammen gemuddelt, Holzspäne drauf, mit einem Zündholz angezündet, in der ganzen Küche begann es zu rauchen, dass die Augen tränten. Brennt‘s oder brennt‘s doch nicht? Wenn dann die ersten Scheiter daraufgelegt werden konnten, war einmal fürs erste gewonnen. Im Winter oder in der Übergangszeit war es ja recht angenehm, wenn der Küchenofen auch Wärme versprühte, aber bei Sommerhitze hat niemand gerne gekocht. Ein großer Fortschritt kam, als die ersten Gasöfen auch für die Arbeiter erschwinglich wurden.

Als ich noch klein war, gab es zum Frühstück sehr oft Strudel, gebacken in so einer rechteckigen Pfanne, eine gelbe Strudel oder eine braune mit Kakao und mit Staubzucker bestreut. Manchmal, wenn die gelbe Strudel zu lange im Rohr war, war die auch braun, aber das ist eine andere Geschichte. Jeden Tag gab es zum Frühstück einen „Zwuck“ davon. Bis Sonntag musste die Pfanne leer sein, da wurde sie dann für die Schnitzel gebraucht. Am Sonntag, das war klar, da gab es ein Schnitzel, „aussabochn“ in Schmalz und einen Erdäpfelsalat dazu. Was mich heute noch wundert ist, dass die Schnitzel nicht sofort serviert wurden, sondern noch etwas dunsten mussten. Suppe gab es natürlich auch, eine „Rindsuppn mit Fridattn, Lewaknedl oder Griaßnockal“, manchmal auch eine Boullion mit Ei.

Am Montag hat es „Eibreinde Hund“ gegeben. Vom Sonntag ist meist „Erdopfesolod“ übriggeblieben, den hat man dazu verwendet, damit nichts verschwendet wurde. Um die „Eibreindn Hund“ zu machen, musste natürlich kein Haustier leiden, es waren ja eingebrannte Kartoffel mit etwas Essig, Gurkerln und geschnittener Knackwurst.

Da viele Leute wenig Zähne oder ein „künstliches Klavier“ hatten, waren für diese Leute harte oder zähe Speisen ein Problem. Aber es gibt für alles eine Lösung, eine „eibreckelte Semme“ oder ein in Kaffee „eitunckts“ Kipferl, war eine sehr beliebte Speise bei den älteren Wasenbruckern. Ein Gulaschessen bei einer befreundeten Familie ist mir auch noch nach dieser langen Zeit im Gedächtnis geblieben. Es gab gutes Rindsgulasch mit Gebäck, „Holländische“ Semmeln und Salzstangerln, also „van“ gestern oder „van“ vorgestern. Der eine Bekannte kämpfte mit einem „Van“-gestern-Salzstangerl und biss und zog. Auf einmal ein Klescher und „die Falschen“ sind in sein Gulaschteller geplumpst, sodass die Sitznachbarn ausgesehen haben, wie die sprichwörtliche „gspritzte Kuchl“.

Vielleicht habt ihr schon einmal vom „Zeiserlgulasch“ (Zieselgulasch) gehört, das wurde in den Notzeiten, während und nach dem Zweiten Weltkrieg gekocht. Vor lauter Hunger sind die Buben aus dem Ort auf die Felder gegangen, um die Ziesel zu fangen. Da „Dochhos“ (Dachhase) war auch so eine Geschichte, einen Hasen zu kochen und zu essen, war damals üblich. Aber mit Dochhos war eine Katze gemeint, ob die wirklich wer gegessen hat oder ob uns die Erwachsenen nur geneckt haben, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Erzählungen haben sich zumindest authentisch angehört.

Der Kaffee, das war auch so eine Sache. Im Krieg und in den Nachkriegsjahren haben die Leute den Kaffee selbst aus Gerste geröstet. Als die Zeiten besser wurden, war der Feigenkaffee sehr beliebt. Der „Baulkaffee“ (Bohnenkaffee) wurde hingegen nur zu besonderen Gelegenheiten und an Feiertagen getrunken. Meine Oma hat einmal erzählt, die Wasenbrucker waren auf einer Ausflugsfahrt und sind dann in ein Gasthaus eingekehrt. Der Ober hat die Bestellungen aufgenommen und die Damen bestellten einen „Baulkaffee“, der Kellner fragte zurück: „Melausch?“. Eine Melange kannten die Woibehminnen aber noch nicht. Meine Oma fragte leise ihre Sitznachbarin: „Hod der jetzt Traunsch zu mir gsogt?“ „Des howi ah vastaundn, warum sogt der Traunsch zu uns, er kennt uns jo goa ned?“ Da hat sich eine Dame von einem anderen Tisch ihnen zugewandt und erklärt, dass eine „Melaunsch“ ein Kaffee ist. Eine besondere Erinnerung ist für mich der Kinderkaffee der Marke „Morli“, also ein Feigenkaffe für Kinder. Damals noch fern der Political Correctness mit weiß-grüner Verpackung und „Mohrengesicht“. Der Kaffee war mir ehrlich gesagt egal, aber es war in jeder Packung ein Indianer, Cowboy oder Pferd in den verschiedensten Formen enthalten. So dass meine größte Freude war, die Figuren aus dem Kaffee „rauszustierln“. Es gab zwar noch Lindekaffee in ähnlicher Form, aber da waren in der Packung nur kleine Autos als Geschenk drinnen.

 

Wir Kinder aus den 1960er-Jahren waren so erzogen worden, dass es uns von den Eltern verboten wurde, bei Besuchen bei anderen Familien um Essen oder Trinken zu bitten. „Weu de haum olle ned vü, des brauch’ns fia eana Famülie. Waunst an Hunga oda Duascht hosd, kumst ham, do kriagst eh wos“, hat es da geheißen. Das war leichter gesagt, als getan. Ich war einmal bei meiner „Lisitant“ und habe mit meiner Cousine gespielt. Da es bereits Mittag wurde, hat die Tante gerade frisch „a Pfaun volla Griassterz und an grünan Solod“ gekocht gehabt. Als sie essen für die Familie anrichtete, fragte sie mich, ob ich nicht auch mitessen wolle. Brav habe ich aber gesagt, dass ich keinen Hunger habe, die Eltern hatten ja das Auswärtsessen verboten. Als die Lisitant dann gesehen hat, dass ich mich herumgedruckst habe, hat sie mir aber einen Teller voll Griessterz und grünen Salat hingestellt. Das war ein Festschmaus, aber seit meinen Kindertagen wollte oder konnte keiner mehr so einen guten Sterz machen. So jetzt höre ich aber auf vom Essen zu erzählen, da habe ich mir sicher zwei Kilos raufgeschrieben und Hunger bekomme ich auch noch …


Foto 1-5: "Speiskoatn" mit Mannersdorfer Motiv auf Woibehmisch (Johann Amsis)