Online-Gschichtl Nr. 120

Das Mannersdorfer Maria-Hilf-Bild - Teil 2

Im zweiten Teil des Online-Gschichtls geht Michael Schiebinger diesmal der Frage nach, wie und wann das Maria-Hilf-Bild in die Mannersdorfer Pfarrkirche kam?

 

Die Mannersdorfer Pfarrkirche ist 1761 einem Brand zum Opfer gefallen, dabei dürfte der hintere Bereich des Baues in Mittleidenschaft gezogen worden sein. Die Altäre und die Kanzel im Chorbereich, allesamt aus Holz errichtet, hatten den Brand offenbar überstanden, waren aber sicher stark verrußt. Bei der Wiederherstellung wurde die Kirche um einige Meter gegen Norden verlängert – vor 1800 entstand dann erst der heutige Kirchturm. Im Zuge der Baumaßnahmen nach 1761 könnten also der neue Tabernakel und das Maria-Hilf-Bild auf den Hochaltar gekommen sein. Die Größe und Erscheinung des Bildes lassen vermuten, dass es keine Neuanfertigung war und wohl auch nicht ursprünglich für den Hochaltar entstanden war. Ein Vorsatzbild wurde für gewöhnlich kleiner konzipiert, das Mannersdorfer Bild verdeckte aber zu einem Gutteil die untere Hälfte des Hochaltarbildes dahinter. Es scheint daher plausibel, dass es erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in die Pfarrkirche kam und dann seinen Platz am Hochaltar mit neuem Tabernakel und Rahmen fand. Doch von woher könnte es gekommen sein? Die Qualität und Größe des Gemäldes lassen einen finanzkräftigen Auftraggeber vermuten. Das Bild könnte einerseits aus dem Mannersdorfer Schloss stammen, aus dem nach dem Tod von Gräfin Fuchs-Mollard viele Gegenstände weggebracht wurden. Am 13. April 1766 wurden nachweislich zahlreiche Gemälde aus dem Schloss entfernt, dies geschah durch den kaiserlich-königlichen Galerieinspektor Joseph Rausch von Traubenberg im Auftrag des Verwalters der kaiserlichen Privatgüter Johann Adam von Posch. Unter den Werken befanden sich nicht näher beschriebene Stillleben, Landschaftsbilder und religiöse Darstellungen. Gut möglich, dass im Zuge dieser Maßnahme das Maria-Hilf-Bild der Mannersdorfer Pfarrkirche überlassen wurde. Das Bild könnte andererseits auch aus dem am 1. September 1783 aufgehobenen Karmeliterkloster St. Anna in der Wüste stammen. Dort hatte im 17. Jahrhundert Erzherzog Leopold Wilhelm das Refektorium ausstatten und für die Leopoldskapelle in den Österreichischen-Niederlanden, wo er Statthalter war, von einem namhaften, aber nicht namentlich überlieferten Künstler ein Altarbild malen lassen. Leopold Wilhelm war ab 1625 auch Fürstbischof von Passau, wo ja das Maria-Hilf-Bild sehr verehrt wurde. Es wäre also denkbar, dass durch ihn eine Kopie des Gnadenbildes in die Wüste gelangt war. Nach den zahlreichen Klosteraufhebungen unter Joseph II. wurden die klösterlichen Einrichtungsgegenstände überall auf die Pfarrkirchen aufgeteilt. Gut möglich, dass unser Maria-Hilf-Bild, sollte es aus der Wüste gestammt haben, so 1783 in die Pfarrkirche Mannersdorf gelangt sein könnte.

Ob nun vom Schloss oder dem Kloster stammend, für beide Theorien würden zeitlich die klassizistische Rahmengestaltung um 1770 bis 1800 und die nachträgliche Aufstellung am Hochaltar sprechen.

Während der Napoleonischen Kriege hielten sich 1805 und 1809 französische Truppen in Mannersdorf auf. Aus dieser Zeit ist eine Sage überliefert, die im Zusammenhang mit dem Maria-Hilf-Bild stehen dürfte: Der Kirchenvater Matthias Wellischowitsch und der Pfarrer hätten sich große Sorgen um die Einrichtung und Ausstattung der Mannersdorfer Pfarrkirche gemacht, die sie durch die fremden Truppen in Gefahr sahen. Besonders besorgt waren sie um ein Marienbild. Nach einigem Überlegen schlug Wellischowitsch vor, das Bild in seinem Haus (heute Hauptstraße 73) im Backofen zu verstecken. Dieser Vorschlag gefiel dem Pfarrer und so geschah es auch. Im Backofen soll das Gemälde die kurze Besatzungszeit heil überstanden haben und danach wieder in die Pfarrkirche zurückgebracht worden sein. Bei jeder Sage besteht ein wahrer Kern, so wäre es denkbar, dass bestimmte Einrichtungsgegenstände der Pfarrkirche tatsächlich in Sicherheit gebracht wurden, wie dies in Kriegszeiten auch andernorts üblich war. Ob mit dem Marienbild in der Sage tatsächlich das Maria-Hilf-Gemälde gemeint war, ist nicht eindeutig feststellbar.

Mit der Kirchenrenovierung der 1830er-Jahre kam wieder Schwung in die Ausstattungsgeschichte unserer Pfarrkirche. Zum 200-Jahr-Jubiläum des Kirchenbaues im Jahr 1838 sollte der Bau umfassend renoviert werden, dabei kam es auch zur Anfertigung neuer Altarbilder durch den Maler A. Batthyany, zu dem bisher keine Informationen ausfindig gemacht werden konnten. Während die kleinen Aufsatzbilder auf den Abschlüssen der drei Altäre offenbar unberührt blieben oder nur „überarbeitet“ wurden, wurden die Hauptbilder neu gefertigt. Batthyany hat zwar das helle Kolorit des Klassizismus verwendet, die Werke aber noch ganz barock komponiert, sodass sie sich gut in die älteren Altäre des 18. Jahrhunderts einfügen. Beim Hochaltar stellte Batthyany den hl. Martin als Bischof auf einer Wolke thronend dar, der gütig auf die Menschenmenge darunter blickt, die um einen Gänsestall versammelt ist – Spötter haben sich ja seit jeher an der etwas misslungenen Darstellung der Gänse gestoßen. Dieses Detail sah man aber lange nicht, da ja immer noch das Maria-Hilf-Bild da war und die untere Hälfte des Hochaltarbildes verdeckte. Fast scheint es so, als hätte das Bild zwecks Abdeckung hier verbleiben dürfen. Rätselhaft ist allemal der Umstand, warum Batthyany bei der Neuanfertigung des Hochaltarbildes um 1838 nicht bei seiner Gestaltung der Darstellung auf das verdeckende Maria-Hilf-Bild Rücksicht genommen hat. Entweder hat der Maler die Situation vor Ort nie zu Gesicht bekommen oder es war zunächst intendiert, das Vorsatzbild nicht mehr aufzustellen. Eine dritte Variante wäre noch, dass das Hochaltarbild keine Neuschöpfung war, sondern nur das Vorgängerwerk überarbeitet wurde.

 

Es vergingen dann wieder einige Jahrzehnte, die ersten bekannten Fotografien des Kircheninnenraumes von 1907 zeigen immer noch die bisher bekannte Situation. Auch bei der zuvor vorgenommen Kirchenrenovierung des späten 19. Jahrhunderts, die allerlei Schablonmalerei an den Gewölben brachte, tastete man das Maria-Hilf-Bild am Hochaltar nicht an. Erst die Kirchenrenovierung der 1930er-Jahre, bei der wieder der nüchterne Innenraum des Frühbarocks betont wurde, brachte Änderungen am Hochaltar. Das Maria-Hilf-Bild wurde nun entfernt und im Langhaus nahe des rechten Seitenaltares angebracht, wie eine Fotografie aus der Zeit nach der Renovierung zeigt. Später wanderte das Maria-Hilf-Bild einige Meter weiter Richtung Orgelempore und war offenbar mit einem Schutzglas versehen, wie eine Fotografie erkennen lässt. Erst anlässlich der Kirchenrenovierung 1978 dürfte das Gemälde dann an den heutigen Standort an der linken Langhausseite gelangt sein. Auch wenn es dort leider ein wenig unbeachtet bleibt, so hat unser Maria-Hilf-Bild doch eine bewegte Geschichte hinter sich.


Foto 1: Das barocke Maria-Hilf-Bild mit den Metallkronen (Michael Schiebinger)

Foto 2: Die Mannersdorfer Pfarrkirche 1907 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 3: Der Hochaltar mit dem Maria-Hilf-Bild, um 1900 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 4: Nach der Renovierung von 1933 kam das Maria-Hilf-Bild an die rechte Landhausseite (Pfeil) (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 5: Vor der Renovierung von 1978 befand sich das Maria-Hilf-Bild bereits näher an der Orgelempore (Pfeil) (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 6: Der Hochaltar mit dem Altarbild der 1830er-Jahre und dem klassizistischen Tabernakel, über dem sich das Maria-Hilf-Bild einst befand (Michael Schiebinger)

Foto 7: Das Maria-Hilf-Bild in seiner heutigen Aufhängung (Michael Schiebinger)