Online-Gschichtl Nr. 152

Es werde Licht! - Das Mannersdorfer Elektrizitätswerk

Wenn es jetzt im Spätherbst früh dunkel wird, dann betätigen wir einfach den Lichtschalter und schon sind unsere Wohnräume erhellt. Wie es in Mannersdorf erstmals 1926 „Licht wurde“, darüber berichtet diesmal Michael Schiebinger.

 

Früher saß man auch in Mannersdorf bei Kerzenlicht zusammen, in den Häusern gab es bis nach dem Ersten Weltkrieg nur wenige andere Lichtquellen in Form von Petroleumlampen. Obwohl die Glühbirne schon lange erfunden war, fehlte in den Landgemeinden aber noch die Versorgung mit elektrischem Strom. 1919 und 1920 gab es dann erste Bestrebungen an der Leitha zwischen der Kotzenmühle und Wasenbruck ein Elektrizitätswerk zu errichten, diese Pläne wurden aber wieder fallen gelassen. Auch ein regionales Projekt mit 40 beteiligten Gemeinden scheiterte letztlich. Die Finanzierungsfrage bei den bisher ventilierten Projekten von regionalen Elektrizitätswerken führte in der Mannersdorfer Gemeindestube zur Einsicht, dass nur ein lokales, gemeindeeigenes Projekt finanziell und zeitnahe zu realisieren war. Es war wohl aber auch ein Politikum, hätte man ja bei einem regionalen Projekt mit „schwarzen“ Nachbargemeinde zusammenarbeiten müssen. Die Errichtung eines Mannersdorfer Elektrizitätswerks wurde jedenfalls zu einem Prestigeprojekt des „Roten Mannersdorf“ erkoren.

Im August 1925 nahm die Marktgemeinde Verhandlungen mit der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien auf, um über ein Darlehen die Grundlage zur Finanzierung zu schaffen. Mit 340.000 Schilling konnte die Gemeindeführung dann in weitere Verhandlungen mit den Spezialfirmen treten. Von der Leobersdorfer Maschinenfabrik wurden die beiden Dieselmotoren bezogen, die Firma Eig aus Wiener Neustadt sollte die Errichtung des Ortsnetzes übernehmen und die Generatoren wurden bei Siemens-Schuckert bestellt. In sechs Monaten Bauzeit wurde die alte Scheuer hinter dem (Alten) Rathaus adaptiert und für die Maschinen ein Betonfundament hergestellt. Die Pläne zum Umbau hatte das bekannte Architektenduo Franz Kaym und Alfons Hetmanek geliefert, die auch das Rathaus selbst umgestaltet hatten.

Am 23. Jänner 1926 war es dann so weit, in einer großen „Lichteröffnungsfeier“ konnte das Mannersdorfer Elektrizitätswerk in Betrieb genommen werden. Landes- und Bezirkshonoratioren waren erschienen, Gemeindevertreter der Umgebung sowie die Vertreter der beteiligten Unternehmen. Vizebürgermeister Josef Kopetzky hielt eine Festrede an die Bevölkerung, die sich trotz Winterwetter zahlreich vor dem (Alten) Rathaus eingefunden hatte. Nach der Rede übernahm Bürgermeister Josef Haidn, der mit den Worten „Es werde Licht!“ die Inbetriebnahme des Elektrizitätswerkes startete. Das Rathaus selbst wurde für die Feier mit 250 Lampen dekoriert, die nun hell leuchteten. Es muss ein besonderes Erlebnis gewesen sein, da viele Mannersdorfer:innen zuvor noch kein elektrisches Licht gesehen hatten, so sie nicht in einer der Fabriken tätig waren. Das festlich beleuchtete Rathaus ist in einer tollen zeitgenössischen Fotografie überliefert.

Das Mannersdorfer Ortsnetz und das gemeindeeigene Elektrizitätswerk waren mit der Eröffnung 1926 eine der frühsten öffentlichen Anlagen im Bezirk. In den Industriebetrieben hatte man schon früher eine eigene Elektrizitätserzeugung etabliert. So bestand etwa in der Wasenbrucker Filztuchfabrik von Hutter und Schrantz eine eigene Turbine zur Stromversorgung, die zunächst mit Dampf und später mit Wasserkraft angetrieben wurde – sie versorgte die Fabrik und die Arbeiterwohnhäuser. In Götzendorf bestand zwar schon 1894 eine elektrische Beleuchtungsanlage in der Spinnerei, doch erst in den frühen 1920er-Jahren begann man mit dem zaghaften Aufbau einer öffentlichen Straßenbeleuchtung. Der Strom wurde zunächst von der Spinnerei bezogen, 1934 wurde dann eine Elektrizitätsgenossenschaft gegründet. In Pischelsdorf fand 1930 die „Lichteröffnung“ statt, nachdem frühe Pläne in der Schublade gelandet waren – der Strom wurde von den Eisenstädter Elektrizitätswerken bezogen. In Hof wurde 1928 mit dem Aufbau des Ortsnetzes begonnen, die Arbeiten übernahm die Fa ELIN. Der Strombezug von den Eisenstädter Elektrizitätswerken war aber so teuer, dass sich nur 70 Haushalte beteiligten und die Eröffnung des Hofer Ortsnetzes 1930 „sang- und klanglos“ erfolgte. In Au wurde mit dem Aufbau der Elektrizitätsversorgung im Winter 1929/30 begonnen, der Strom wurde vom E-Werk in Seibersdorf bezogen. In Stotzing und Loretto wurde die Elektrifizierung der Orte gar erst 1949 vollzogen.

Das erfolgreiche Mannersdorfer Elektrizitätswerk wurde von drei Bediensteten der Marktgemeinde betrieben, neben Werksleiter Franz Kögler (*1888) gab es noch zwei Motorenwarte. Einer von ihnen war Stefan Heinrich (1904-1965), der im Mai 1926 eingestellt wurde. Der zweite Motorenwart war Josef Jakschitz (1897-1981). Das Ortsnetz umfasste neben der Straßenbeleuchtung auch Anschlüsse für die Hälfte der Mannersdorfer Haushalte, 300 Zähler wurden dafür angekauft. Auf Kosten der Marktgemeinde Sommerein wurde dorthin sogar eine Überlandleitung verlegt, sodass der Nachbarort fortan mitversorgt werden konnte. Mit dem Anschluss des Baxa-Kalkofens und der Leonischen Drahtzugfabrik von Cornides-Kühmayer an das Ortsnetz, ging das Elektrizitätswerk in Dauerbetrieb über. Die beiden Dieselmotoren waren 40PS und 80PS stark, sie konnten so auch die Tagesverbrauchsspitze am Abend schaffen. Der Verbrauch betrug damals monatlich zwischen 8000 und 14.000 Kilowattstunden – die Kilowattstunde wurde mit 42 bzw. 55 Groschen bepreist. Um 10 Uhr abends wurde täglich auf „Schwachstrom“ umgestellt, um während der Nacht die Kosten zu drosseln. Mit dem Diesel war man damals allerdings wenig sorgsam, denn der ist in so manchen Hausbrunnen der Nachbarschaft gesickert, wie Frieda Dunshirn noch wusste. Die Finanzierung des Betriebes selbst wurde durch einen Grundstücksverkauf von der Marktgemeinde an die Perlmooser Zementwerk AG sichergestellt.

Die frühe Elektrifizierung hatte aber auch ihre Schattenseite, sie war nicht ungefährlich und unsachgemäßer Umgang führte rasch zu Gefahren für Leib und Leben. So kam es im Oktober 1931 im Perlmooser Zementwerk zu einem tragischen Arbeitsunfall, der Fabriksarbeiter Karl Neumayer wurde durch einen elektrischen Stromschlag getötet. Auch der Erfolg des Mannersdorfer Elektrizitätswerks wurde im Mai 1937 von einem schweren Arbeitsunfall überschattet. Wie Frieda Dunshirn noch zu erzählen wusste, stand auf der Hauptstraße im Kroatenmarkt ein Lichtmast, der defekt war. An dem Tag sollte ein Begräbnis stattfinden und Elektrizitätswerksleiter Franz Kögler wurde von den Anwohnern gebeten, mit der Reparatur des Lichtmasten doch bis nach dem Begräbnis zu warten. Kögler ließ sich aber nicht abbringen und wollte den Fehler gleich beheben. Dann nahm das Unglück seinen Lauf, Kögler stieg auf den Masten, dieser löste sich aber von der Hausmauer und knickte um. Kögler sprang ab und stürzte auf das Straßenpflaster, der herabfallende Mast schlug auf seinen Körper auf. Der Verunfallte wurde bewusstlos geborgen und mit dem gemeindeeigenen Rettungswagen in das Unfallkrankenhaus der Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt (AUVA) in Wien-Brigittenau gebracht, wo der 48-Jährige jedoch seinen schweren Verletzungen im Beckenbereich erlag. Der Verstorbene wurde von der Marktgemeinde nach Mannersdorf überführt, wo er unter großer Anteilnahme beigesetzt wurde.

 

Mit der Stelle des Betriebsleiters im Elektrizitätswerk wurde nach Köglers Unfalltod der Elektrotechniker Gustav Sauer betraut. Er konnte das gemeindeeigene Werk aber keine zwei Jahre mehr leiten, denn die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten führte zu erheblichen Änderungen. Die nationalsozialistische Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Viktor Rapp ging „pflichtbewusst“ ans Ausverkaufen des Gemeindesilbers. Am 1. März 1939 wurde das gemeindeeigene Elektrizitätswerk um 70.000 RM an die Niederösterreichische Elektrizitätswirtschafts-Aktiengesellschaft (NEWAG) veräußert, die damals den Namen „Gauwerke Niederdonau AG“ trug. Damit endete die selbstständige Stromversorgung durch die Marktgemeinde. Leider konnte nicht eruiert werden, was mit den Maschinen geschehen ist. Die Halle des Elektrizitätswerkes stand nach der Einbindung Mannersdorfs in das überregionale Stromnetz jedenfalls leer und wurde 1944 zum Turnsaal der in der NS-Zeit gegründeten Hauptschule adaptiert. Während Mannersdorf und Wasenbruck schon lange mit Strom versorgt wurden, wurde der Ortsteil Sandberg erst 1956 elektrifiziert. 

Foto 1: Installation der Maschinen im Elektrizitätswerk 1925 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Bericht zur "Lichteröffnungsfeier" im Jänner 1926 (Volkspost)

Foto 3: Das Mannersdorfer Elektrizitätswerk 1929 (Tätigkeitsbericht des Gemeinderates 1929)

Foto 4: Das zur "Lichteröffnung" hell erleuchtete Rathaus 1926 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 5: Die Hauptstraße beim "Einsereck" mit frühen Freileitungen, 1928 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 6: Strommast und Freileitungen bei der Pestsäule, 1936 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)