Online-Gschichtl Nr. 158

"Ordnung muss sein" - Über Halter, Hüter und Nachtwächter

Michael Schiebinger widmet sich diesmal einer besonderen, längst ausgestorbenen „Spezies“ von Amtspersonen, die früher in und um Mannersdorf den Wald, die Flur, die Weingärten und das Vieh behüteten.

 

In vergangenen Zeiten gab es auch in Mannersdorf verschiedene Aufsichtsorgane, die für „Recht und Ordnung“ sorgten, denn auch die „gute alte Zeit“ war nicht immer so idyllisch. Da gab es Funktionen, die uns heute kaum noch geläufig sind, wie etwa den Gemeindenachtwächter oder den Feldhüter. Dann gab es auch Weingartenhüter, Waldaufseher oder Viehhalter. Und so lohnt ein kleiner Blick auf die Mannersdorfer Ordnungshüter und gemeindeeigenen „Sicherheitsorgane“ anno dazumal.

Der Name „Halterzeile“ weist noch heute auf die Jahrhunderte lange geübte Praxis des Viehtriebs in Mannersdorf hin. Der (Vieh)Halter, im Dialekt „Hoida“, hatte die Aufgabe die Kühe und Ziegen der Mannersdorfer Bauern in der warmen Jahreszeit täglich auf die Weide zu treiben. Das Amt wurde von der Marktgemeinde vergeben und entlohnt. So ging der Halter jeden Morgen mit einer schnalzenden Peitsche durch den Ort, um Signal zu geben, dass die Bauern ihre Hoftore öffnen und das Vieh herausließen. Der Halter übernahm die Herde und trieb sie durch die Hauptstraße und die Halterzeile hinaus auf die „Had“, also die Heide gegen Wasenbruck. Dort konnte das Mannersdorfer Vieh den ganzen Tag lang grasen und wurde am Abend wieder zurück in den Ort geführt. Dort verschwanden die Kühne hinter den Hoftoren, um am nächsten Tag wieder abgeholt zu werden. Die jungen Kälber wurden hingegen nur für einigen Stunden am Morgen auf die Weide hinter dem Hofstadl getrieben und kamen schon am Vormittag zurück in den Ort, wie Frieda Dunshirn noch wusste.

Der Gregoritag fiel bis 1969 auf den 12. März und war der Tag des „Halterblasens“. Der hl. Gregor der Große war nämlich Patron der Halter, sein Name bedeutet im Deutschen schließlich „Wächter/ Hüter/ Hirte“. Und so sind auch die Mannersdorfer Halter an diesem Tag von Bauernhaus zu Bauernhaus gezogen, haben mit den Signalhörnern geblasen und als Dank für ihre Arbeit einen kleinen Obolus bekommen.

In der Zwischenkriegszeit wurde der Halter oder Hirte sogar per Gemeinderatsbeschluss bestellt. Im Juni 1931 wurde bspw. Josef Hirmann von der Marktgemeinde als Ziegenhirte angestellt. Hirmann (*1899) war aus Göttlesbrunn gebürtig und heiratete 1922 Maria Dietschy aus Au. Andere Mitglieder der Familie Hirmann waren ebenso als Halter tätig, wie Frieda Dunshirn berichtete. Auch die Familie Dippold stellte in Mannersdorf Halter bzw. Viehhirten. Josef Sewald (*1871) verdingte sich in der Zwischenkriegszeit als Viehhirte, er kam aus Höflein nach Mannersdorf wo er sich im Alter von 50 Jahren mit der Witwe Anna Friedl vermählte. Franz Gablek (1892-1946) war ebenso als Viehhirte tätig, er stammte aus Trausdorf und hatte 1929 Maria Nagl in Mannersdorf zur Frau genommen. Es zeigt sich also, dass die meisten Viehhirten nach Mannersdorf zugezogen waren. Sie hatten hier keinen Hof oder Besitz und dürften wohl deshalb ihren Unterhalt als Hirten bestritten haben. In Mannersdorf wurde der Viehtrieb noch bis in die 1960er-Jahre aufrechterhalten. Mit dem zunehmenden Autoverkehr und den Änderungen in der Milchviehhaltung fanden der Viehtrieb und das Halterdasein ihr Ende.

Neben dem Halter gab es noch andere „Amtspersonen“ die in Mannersdorf in Wald und Flur anzutreffen waren. Für den Wald, die Felder und die Weingärten gab es eigene Aufseher, die in der „Guten alten Zeit“ für Ordnung sorgten. Für das Wild im Leithagebirge und den Baumbestand waren natürlich die Jagdaufseher und die Förster zuständig, dennoch gab es für den gemeindeeigenen Waldbesitz einen eigenen Aufseher. Man wollte ja sicherstellen, dass das Holz nicht unerlaubt geschlägert wurde. Auch die Frucht auf dem Feld oder die Weintrauben in den Weingärten waren vor Dieben nicht sicher, die Armut trieb ja viele Familien zum Mundraub. Ein weiteres Problem war der Vogelfraß, so sollten die Hüter auch diese ungebetenen Gäste verscheuchen. Als Unterstände vor Sonne und Regen wurden kleine Hütten zusammengezimmert, eine solche befand sich u.a. beim Cholerakreuz, das noch weit außerhalb der Ortschaft lag. Mit Hörnern konnten sich auch die Weingartenhüter untereinander Signale geben und Alarm schlagen. Die Mannersdorfer Weingartenhüter wurden auch Teil der lokalen Sagenwelt und in der Erzählung von der „eingesperrten Maria Theresia“ als besonders dienstbeflissen charakterisiert.

Noch in der Zwischenkriegszeit wurden auch diese Aufseherposten von der Marktgemeinde bestellt. 1931 fungierten so Josef Zeus und Anton Zeiner (*1903) als Feldhirten. Zeiner war eigentlich Wagnergeselle und stammte aus Hof, 1931 vermählte er sich mit Maria Ackerl. Im Juli 1933 schied Johann Behmund aus dem Dienst des Waldaufsehers aus. Behmund (1867-1955) war eigentlich Bahnbediensteter, es erscheint daher möglich, dass er die Funktion des Waldaufsehers nebenberuflich oder ehrenamtlich wahrnahm. Seine Stelle als Waldaufseher wurde mit Alois Schmidt (1889-1935) neu besetzt, dieser war seinerseits auch Revierjäger. Schmidts Posten als Feldhüter nahm in der Folge Josef Hummel ein.

 

Für die Sicherheit war auch früher schon die Gendarmerie zuständig, die sich um 1850 aus dem Militär heraus entwickelte und seit 1876 in Mannersdorf einen Posten unterhielt. Die Gendarmen haben gemeinsam mit der Grenz- und Zollwache auch die damalige Grenze am Leithagebirge im Blick gehabt. Dennoch gab es für ortspolizeiliche Angelegenheiten auch in Mannersdorf zwei gemeindeeigene Nachtwächter, die vor allem die Nachtruhe zu überwachen hatten und Ausschau nach Bränden halten sollten. Sie konnten auch fremde oder verdächtige Personen anhalten und befragen. Die Marktgemeinde hatte die Nachwächter bzw. Sicherheitsorgane mit Uniformen und zum Schutz mit Waffen ausgestattet. In der Zwischenkriegszeit war zunächst Josef Opferkuh (*1874) einer der Gemeindenachtwächter, ehe er altersbedingt in Ruhestand trat. 1936 erhielt er von der Marktgemeinde neben der Altersrente eine monatliche Zusatzrente von 10 Schilling (nach heutiger Kaufkraft etwa 40 Euro) zugesprochen. Ende Mai 1930 war Anton Kühschitz (*1893) von der Marktgemeinde als „definitiver“ Nachtwächter angestellt worden. Tagsüber hatte der Nachwächter ebenso eine Aufgabe, nämlich die des Dorftrommlers. Als solcher ging Kühschitz durch den Ort, trommelte die Leute zusammen und machte ihnen verschiedene Entscheidungen der Gemeinde kund. Damals gab es ja höchstens ein Radiogerät in den Häusern und eine Zeitung war für viele nicht erschwinglich oder sie konnten ohnehin nicht lesen. Umso wichtiger war da das trommelnde Informationsorgan. 1937 wurde dann im Gemeindetag beschlossen, nur mehr dringliche Angelegenheiten durch Trommelschlag kundzumachen, alle anderen Kundmachungen sollten nun per Anschlag an der Amtstafel erfolgen. Leider konnte vorerst nicht eruiert werden, wann das Amt des Nachtwächters bzw. Dorftrommlers in Mannersdorf abgeschafft wurde, aber es war vermutlich in der Nachkriegszeit.

Foto 1: Gemeindenachtwächter Josef Opferkuh, um 1930 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Unterstand eines Feldhüters beim Cholerakreuz (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 3: Barocke Hirtenidylle in Mannersdorf, Freskenausschnitt, Maria-Theresien-Saal, Schloss (Helmut Mauthner)

Foto 4: Da Hoida kummt! (Archiv Karl Trenker)

Foto 5: Viehtrieb auf der Halterzeile (Archiv Karl Trenker)

Foto 6: Am Heimweg geht es beim Alten Rathaus vorbei (Archiv Karl Trenker)