Online-Gschichtl Nr. 170

Als an der Grenze der Schmuggel blühte - Teil 1

Die Leitha und das Leithagebirge bildeten schon früh die Grenze zwischen Österreich und Ungarn. In vergangenen Zeiten wurde daher unsere Region zu einem wahren Paradies für Schwarzhändler und Schmuggler. Ihnen widmet Heribert Schutzbier diesmal einen zweiteiligen Beitrag.

 

In meinem Beitrag zum Weinbau und seine wirtschaftliche Bedeutung für unsere Gegend wurde schon davon gesprochen, dass die Grenznähe zu Ungarn zu entsprechenden Schmuggeleien verleitete, besonders deshalb, weil bei den Magyaren sämtliche Agrarprodukte und andere Waren wesentlich billiger waren als in den übrigen Teil der Monarchie.

Die Grenze wurde von so genannten Dreißigern überwacht. Es waren Finanzbeamte, die den Wert einer Ein- oder Ausfuhr zu schätzen hatten und den dreißigsten Teil dieses Wertes als Zoll kassieren mussten. Im Bereich der Herrschaft Scharfeneck, zu der die Märkte Sommerein, Mannersdorf, Hof und Au gehörten, waren vom Dreißiger viele Wege über das Leithagebirge und mehrere Brücken und Furten an der Leitha zu überwachen. Da die Leitha damals noch lange nicht reguliert war, bildete sie Nebenarme, Gerinne und Schlingen. Die Flurbezeichnung „Scheibenäcker“ im Gemeindegebiet von Sommerein erinnert heute noch daran. Umso leichter waren geheime Wege über diese Zollgrenze zu finden und zu benützen.

Diese schwierige Aufgabe der Überwachung eines so großen Gebietes konnte der Dreißiger, der seinen Sitz in Hof hatte, nicht alleine bewältigen. Daher gab es in Sommerein einen ihm gleichgestellten Helfer. Einige untergebene Helfer unterstützten ihn ebenfalls. Neben seiner Tätigkeit an den Grenzen musste der Dreißiger auch jene Weinfässer durch Brandzeichen kennzeichnen, in denen Eigenbauwein aus der Herrschaft, der von Abgaben befreit war, über die Leitha als Zollgrenze in Richtung Wien transportiert werden sollte. Wie wir noch sehen werden, gab es damals wie heute das Dreigestirn illegaler Machenschaften: Gewalt, List und Korruption.

Bei der meist bäuerlichen Bevölkerung waren die Dreißiger natürlich nicht beliebt. Immer wieder kam es zu Meinungsverschiedenheiten, Streit und manchmal sogar zu Tätlichkeiten. Da das Brennen (Kennzeichnen) der Fässer schon bei der Weinlese geschah, ergaben sich dabei viele Streitereien. Auf Grund der geernteten Trauben schätzte der Dreißiger die zu erwartende Menge Wein und kennzeichnete danach einige Fässer für die zollfreie Ausfuhr des Weines mit Brandzeichen.

1692 erfahren wir aus den Niederösterreichischen Herrschaftsakten, dass es dabei in Hof zu einem Raufhandel zwischen einigen Weinbauern und dem Dreißiger kam, durch dessen Genauigkeit sich die Leute offensichtlich ungerecht behandelt fühlten. Auch aus Sommerein wird über einen Angriff auf den Dreißiger berichtet. Einer der Weinbauern namens Jankowitsch schlug den Mann sogar mit einer großen Weinstange und verletzte ihn.

Über die Mannersdorfer klagte der Dreißiger, dass sie in Ungarn Wein kaufen, nachts über das Leithagebirge bringen und ihn hier verkaufen ohne den Dreißigst (die vorgeschriebene Abgabe) zu leisten. In die andere Richtung verkauften sie unangemeldet Hafer und Gerste nach Purbach, Donnerskirchen und St. Georgen bei Eisenstadt. Unsere Bäcker holten wiederum unversteuerte Körner aus Ungarn, machen daraus Brot und Semmeln und verkaufen sie in Götzendorf, Trautmannsdorf und anderen Orten auf Jahrmärkten besonders gewinnbringend. Auch Steinsalz wurde aus Ungarn widerrechtlich eingeführt. Es dürfte damals also einen recht schwunghaften Schwarzhandel in beide Richtungen gegeben haben. Man durfte sich eben nur nicht erwischen lassen.

1693 berichtet der Dreißiger, dass die Sommereiner und Mannersdorfer aus den in Ungarn gelegenen Steinbrüchen viel Material nach Wien führen und keine Abgaben leisten. Sie schmuggeln auch jährlich über 1000 Eimer Wein aus Ungarn über die Zollgrenze. Die Brandzeichen auf den Fässern, die beweisen sollen, dass es sich um Wein aus dem eigenen Anbau handelt, erfüllen nicht ihren Zweck. Die Schmuggler fahren mit den vollen gekennzeichneten Fässern offiziell über die Leitha, füllen sie drüben aber um und bringen sie heimlich wieder nach Hause, um sie neuerlich zu füllen. Das machen sie zehn- bis zwanzigmal im Jahr und behaupten aller Wein sei Eigenbau. Schlau, und sicher sehr einträglich! 1695 wird diesbezüglich über die Hofer berichtet: Sie führen erneut 5 Wagen Wein aus Ungarn ein, bezahlen aber den Dreißigst wieder nicht.

Neben dem groß angelegten Weinschmuggel aus Ungarn betrieben die Untertanen der Herrschaft Scharfeneck die illegale Einfuhr von Rindern nach Österreich ebenfalls in größerem Umfang. Da die Tiere nicht wie andere Waren transportiert werden mussten, konnte man sie auf den verschiedensten geheimen Schleichwegen durch den Wald des Leithagebirges treiben und dann eine günstige Gelegenheit abwarten, um unbemerkt über die Leitha-Zollgrenze zu gelangen. Die Flurbezeichnung „Ochsenstand“ auf Purbacher Gemeindegebiet, hart hinter der niederösterreichischen Grenze, am so genannten Purbacher Weg gelegen, erinnert heute noch an die einstigen Schmuggeleien. Der Überlieferung nach wurden an dieser Stelle, die damals noch zu Ungarn gehörte, Rinder gesammelt, die unverzollt über die Leithagrenze nach Wien verkauft werden sollten.

Die Schmuggler beiderseits der Grenze hatten ein besonderes Täuschungsmanöver ersonnen. Sie trieben von beiden Seiten der Grenze je eine Rinderherde an diesen Platz, ließen sie tagsüber dort weiden, vermischten sie und trieben die Herden abends wieder nach Hause. Für Außenstehende war kaum zu erkennen, dass der ungarischen Herde einige Rinder fehlten, wogegen die Scharfenecker Herde zahlenmäßig angewachsen war. Solche Tricks geschahen auch an anderen Stellen im Leithagebirgswald.

Auf diese und ähnliche Weise wurden schon in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts aus der Gegend um Eisenstadt viele Rinder über das Gebiet der Herrschaft Scharfeneck illegal nach Österreich getrieben, ohne den festgesetzten Ausfuhrzoll zu bezahlen. Die Viehhändler hielten sich auch sonst nicht an die entsprechenden Vorschriften für den Export von Tieren. Dadurch entgingen der landesfürstlichen Kammer große Einnahmen. Ein landesfürstlicher Befehl aus dem Jahr 1592 erinnerte eindringlich an die schon früher erlassenen Vorschriften. In der Folge wurde sogar eine berittene und bewaffnete Wache eingesetzt, welche die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen garantieren sollte. Sie stand unter dem Befehl eines Leutnants und war in Mannersdorf stationiert. Ertappten Schmugglern wurden neben anderen Strafen die Tiere abgenommen.

Das scheint aber alles nicht viel genützt zu haben, denn hundert Jahre später wird wieder berichtet, dass die Sommereiner und Mannersdorfer neben Wein auch Ochsen schmuggeln. 1691/92 werden 200 Stück genannt. 1693 sollen es sogar etwa 400 gewesen sein.

Aus dem Jahr 1694 sind uns einige Namen von damals berüchtigten Schmugglern überliefert, die offensichtlich vom Dreißiger erwischt worden waren. Allen voran wird ein Jakob Frast, Wirt am „Schwäbischen Haus“ (Schwabenhof, heute Hauptstraße 24-26) in Mannersdorf genannt. Er kaufte zwei Paar Ochsen in Schützen, ohne dies dem Dreißigstamt zu melden oder gar die kaiserliche Gebühr zu bezahlen. Er meldete auch nicht, dass er sie an den Fleischhauer in Sommerein weiterverkauft hatte. Auch Matthias Sankowitsch, Mattl Knirst und Georg Mitzahn aus Mannersdorf haben ebenfalls in Ungarn Ochsen gekauft und nicht angemeldet. Auch aus Hof und Au werden damals mehrere berüchtigte „Schwärzer“ (Schwarzhändler) genannt.

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass die Ochsen offensichtlich paarweise gehandelt wurden. Die Erklärung dafür liegt in ihrer Verwendung. Sie wurden ja nicht nur als Fleischlieferanten benötigt, sondern auch als Zugtiere für schwere Lasten. In unserer Gegend zum Steintransport aus den Steinbrüchen. Die hiesigen Steinbrüche waren aber von Abgaben befreit, weil die Herrschaft Scharfeneck dem Viertel unter dem Wienerwald angehörte.

 

Fortsetzung folgt …

Foto 1: Das Leithagebirge als Grenzland (Franz X. Schweickhardt, Perspektiv-Karte, 1837)

Foto 2: Der Breitenbrunner Ochsenstand im Leithagebirge (Franzisko-Josephinische Landesaufnahme, 1872)