Online-Gschichtl Nr. 171

Als an der Grenze der Schmuggel blühte - Teil 2

Im zweiten Teil seines Online-Gschichtls betrachtet Heribert Schutzbier u.a. auch die andere Seite des Schwarzhandels, nämlich die der Maut- und Zollverwaltung.

 

1755 wurde für Niederösterreich eine neue Mautordnung erlassen. Die Abgaben betrugen 20-30% des Warenwertes. Auch als 1775 die österreichischen Länder ein einheitliches Zollgebiet bildeten, blieb die Herrschaft Scharfeneck davon unberührt, da die Zollgrenze gegen Ungarn ausdrücklich ausgenommen war. Strafbar machten sich damals nicht nur die „bösen Untertanen“, es gab natürlich auch Dreißiger (Zollbeamte), die ihr Amt missbrauchten. Von einem erfahren wir, dass er für ein Paar Ochsen, für das zwei Taler zu bezahlen waren, einen dritten Taler erpresste und sich so sein Einkommen aufbesserte. Von der Obrigkeit erhielt er für sein korruptes Handeln aber lediglich einen Verweis.

Ganz anderes berichtet uns die Klosterchronik der Unbeschuhten Karmeliter in der Wüste über einen Dreißiger, der 1772 auf der „Wasenbrücke“ seinen Dienst versah. Anlässlich einer Fahrt nach Wien erkundigte sich der Prokurator des Klosters bei ihm, welche Möglichkeiten es gebe, von den vorgeschriebenen Abgaben befreit zu werden. Der Dreißiger erklärte, dass er keinen Weg wüsste, den Dreißigst zu sparen als den Schmuggel. Dies käme aber gewiss nicht in Frage. Er erklärte, dass die Vorschriften zur Verhütung des Schmuggelns sehr streng seien und die Strafmaßnahmen gegen unzuverlässige Dreißiger rücksichtslos angewendet würden. Dazu brachte er einige Beispiele: Übersieht der Einnehmer einen Schmuggler und schädigt dadurch den Fiskus um nur 5 Gulden, so koste es ihn bereits sein Amt. Ein Schaden von 10 Gulden werde mit einer Prügelstrafe geahndet und ein Schaden von 15 Gulden könnte bereits den Tod bedeuten, so wie bei einem ertappten Dieb.

Wenn auch zwischen den beiden oben beschriebenen Fällen viele Jahre liegen mögen, so sehen wir, dass es damals ein viel ärgeres Verbrechen war, die Staatskasse zu schädigen, als die Untertanen zu betrügen. Während das eine mit schweren Strafen bedroht wurde, gab es im anderen Fall von der Obrigkeit bloß einen Verweis. Mit solchen drakonischen Strafandrohungen wollte man offensichtlich verhindern, dass Zöllner ihr Amt nachlässig ausübten oder gar Nahestehende bevorzugten.

Ganz besonders streng wurden die Grenzen gegen Ungarn in jenen Zeiten überwacht, in denen Epidemien drohten. 1831/32, als die asiatische Brechruhr (Cholera) bereits in Teilen Ungarns wütete, wurde ein so genannter Seuchenkordon errichtet. In den Wäldern des Leithagebirges wurde der eigentliche Grenzverlauf gegen Ungarn durch Verhaue und Wegesperren besonders abgesichert und streng überwacht. Ähnliches geschah auch schon früher in Zeiten der Pest. Trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen konnten aber weder Pest noch Cholera aufgehalten werden und forderten erschreckend viele Opfer. Für Schmuggeleien waren die Seuchenkordone aber gewaltige Hindernisse. Wer in solchen Zeiten beim illegalen Grenzübertritt erwischt wurde, musste mit allerstrengsten Strafen bis zum Tode rechnen. Dagegen blühten der Schwarzhandel und Schmuggel immer dann, wenn es wirtschaftlich schlechtere Zeiten gab. Meist waren dies Jahre der Missernten und Geldentwertung sowie Kriegs- oder Nachkriegszeiten.

 

Die exponierte Lage unserer vier Ortschaften an der Grenze zu Westungarn wurde auch in den Wirren und der Not nach dem Ersten Weltkrieg ausgenützt. Viele Bewohner hatten in den Nachbarortschaften jenseits der Grenze Verwandte und Bekannte, zu denen enge Kontakte bestanden. Diese wurden natürlich für legalen Handel, aber auch für illegale Machenschaften ausgenützt. Damals versuchte die Not leidende Bevölkerung Wiens in den bäuerlichen Gemeinden der näheren und weiteren Umgebung durch Tauschhandel Grundnahrungsmittel aufzutreiben. So setzte auch in unseren Orten am Nordwestabhang des Leithagebirges ein reger Schwarzhandel mit Lebensmitteln ein. Für Nachschub aus Westungarn bzw. dem neu entstandenen Burgenland wurde durch Schmuggel gesorgt. Große Teile der Bevölkerung unserer Gegend besserten so ihre Lebensbedingungen und ihr Einkommen auf. Weder die Gendarmerie, die wegen der Bedrohung durch ungarische Freischärler an der Grenze verstärkt worden war, noch die mitgekommenen Grenzbeamten konnten dagegen etwas ausrichten. Zwar wurden die Straßen und wichtigsten Wege über das Leithagebirge besonders überwacht und auch Passanten durchsucht, doch wurden meistens nur Kleinigkeiten gefunden. Die meisten Güter gelangten an anderen Stellen über die grüne Grenze. Noch viele Jahre später wurde von den vermeintlich kühnen „Heldentaten“ aus dieser Zeit erzählt. Als besonderer „Ort der Begegnung“ galt schon in Zeiten der Monarchie das Gasthaus „Zur Hinterbrühl“ von Georg Stinauer, das bei Kaisersteinbruch einst hart an der ungarischen Grenze im Tal des Traxlergrabens gelegen war. Dorthin wurden gerne Ausflüge unternommen, es wurden Feste gefeiert und ein reger „Warenaustausch“ betrieben – davon wird aber noch gesondert zu berichten sein.

Foto 1: Grenzsituation im späten 19. Jahrhundert (Franzisco-Josephinische Landesaufnahme, 1873)

Foto 2: Georg Stinauers Gasthaus "Zur Hinterbrühl" bei Kaisersteinbruch, ein Treffpunkt des Schmugglerwesens (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)