Online-Gschichtl Nr. 175

Das Kriegsende und die Nachkriegszeit in der Region Mannersdorf im Spiegel von Zeitzeugenberichten – Teil 2

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Zusammenbruch des NS-Regimes begann auch in Mannersdorf die Besatzungszeit. Im zweiten Teil des Online-Gschichtls zu den Zeitzeugenberichten von 1985 stehen diesmal die Nachkriegserlebnisse der Mannerdorfer:innen im Mittelpunkt.

 

Die Mannersdorfer Bäuerin Katharina W. berichtete etwa: „Ich musste mit drei kleinen Kindern und einem kriegsgefangenen Serben unsere kleine Landwirtschaft bestellen. Als nach Kriegsende die Gefangenen abgezogen wurden, war ich nur auf eigene Kraft und ein wenig Nachbarschaftshilfe angewiesen. Vieh war ja ohnehin fast zur Gänze weg und so gings leidlich bis zur Rückkehr meines Mannes. Unseren Wein hatte ich im Keller verbarrikadiert (versteckt). Habe dann übers Bürgermeisteramt versprochen, den Wein der Bevölkerung von Mannersdorf zur Verfügung zu stellen. Man sagte mir, ich solle nichts erwähnen, es sei zu gefährlich. Aber wenn die Gemeindevertreter Wein brauchten, um Russen abzuwimmeln, holten sie Wein bei mir – unentgeltlich. Natürlich durch Verrat wurde ich im August 1945 des übrigen Weins entledigt. Mit vorgehaltenem Revolver wurde ich eingeschüchtert und der Wein wurde auf Wagen verladen. Als man den Wein weggeschafft hatte und Verschiedenes noch dazu, sagte man mir am nächsten Tag, ich sollte doch auf die Kommandantur im Schloss gehen und es melden. Die Posten, die vor dem Schloss standen, gingen zwar hinein, aber auf Einlass wartete ich vergebens, bis ich´s aufgab. So rechtlos war man, bis die Russen aus Mannersdorf abgezogen wurden.“

 

Ein zwanzigjähriger Soldat aus Leipzig traf im Herbst 1945 in der französischen Kriegsgefangenschaft im Elsass auf den ebenso internierten Arthur M. aus Mannersdorf. Der Leipziger hatte selbst die letzten Kriegstage in und um Mannersdorf verbracht und erzählte M. darüber: „Wir waren aus Ungarn kommend, über das Leithagebirge nach Mannersdorf gelangt, wo wir uns am Ostersonntag 1945 im Haus eines Fleischhauers (wohl ehemalige Fleischhauerei Wenz, Hauptstraße 92) einquartierten. Seinem Haus gegenüber und in der Straße hinter seinem Haus befand sich je ein Gasthaus Zigaretten wurden in einer großen Trafik in der Ortsmitte (Kusolitsch, Hauptstraße 77) geholt. Unsere Panzerabwehrkanone ging beim Einsiedlerbankerl hinter der Wüste in Stellung, feuerte aber keinen Schuss ab. In der Nacht zogen wir uns nach Mannersdorf zurück, das wir in Richtung Götzendorf verließen, um nahe beim Götzendorfer Bahnhof in Stellung zu gehen. Am Ortsende von Mannersdorf brannte bei der Fabrik ein großes einzelnes Haus (Direktionsvilla). Die Leithabrücke bei Götzendorf war gesprengt. Links davon brannte ein großer Gebäudekomplex (Polsterer-Mühle). Die Russen drangen über Sommerein und Trautmannsdorf entlang des Bahndammes vor. In der Nähe des Götzendorfer Bahnhofs kam es zum Schusswechsel. Dabei wurde ich verwundet.“

 

Der Mannersdorfer Arthur M. berichtete auch über seine Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft: „Am 10. April 1945 kam ich im Schwarzwald in französische Kriegsgefangenschaft. Ich war ein Jahr lang im Elsass bei einem Bauern, mit dem ich mich anfreundete, im Arbeitseinsatz. Im April 1946 wurde ich nach Österreich entlassen. Ich kam in die französische Besatzungszone nach Tirol, wo ich in Imst zwei Wochen warten musste. Da ich nach Mannersdorf wollte, das zur russischen Besatzungszone gehörte, mussten die Franzosen meine Überstellung erst mühsam regeln. Damals kam mir so richtig zu Bewusstsein, mit welchen Problemen das wiedererstandene Österreich zu kämpfen hatte. Endlich ging die Fahrt bis Linz weiter. Dort wurde die Lokomotive abgekuppelt und durch eine andere, die erst aus der russischen Besatzungszone herangeschafft werden musste, ersetzt. In Wien-Hütteldorf wurden die anderen Heimkehrer und ich entlaust und wir erhielten unsere Entlassungspapiere. Vom zerbombten Ostbahnhof brachte mich am 30. April 1946 der Frühzug nach Götzendorf. Ein Pferdewagen, der Fahrgäste abholte, nahm mich nach Mannersdorf mit.“

 

Arthur M. konnte sich auch an den ersten Anblick von Mannersdorf während der Heimkehr erinnern: „Die Zementfabrik stand still, da Teile der Kraftzentrale zerstört waren. Das Direktionsgebäude war abgebrannt. In Mannersdorf hatten die Geschäfte nur am Vormittag geöffnet, da sie ohnehin fast nichts zu verkaufen hatten. Lebensmittel und die meisten anderen Waren bekam man nur auf Karten und musste sich außerdem noch stundenlang darum anstellen. Das zentrale Lebensmittelmagazin für Mannersdorf und Umgebung war hinten im Rathaus im ehemaligen E-Werk und wurde vom Konsum verwaltet. Das Leben war sehr schwer und wurde nur nach und nach besser.“

 

Abschließend berichtete Arthur M. noch über eine Sonderzuteilung von Erdäpfeln in der Nachkriegszeit: „Im Mai 1946 trafen auf dem Mannersdorfer Bahnhof zwei Waggons mit Erdäpfeln ein. Diese sollten unter der Bevölkerung verteilt werden. Pro Haushalt gab es 50 kg, welche entweder für den Anbau oder zum Essen verwendet werden konnten. Die Gemeinde stellte eigene Bezugsscheine aus. Die Leute mussten selbst Säcke mitbringen und erhielten die Kartoffeln eingewogen. Sie waren in der damaligen Notzeit ein wahrer Schatz.“

 

 

War Arthur M. in französischer Kriegsgefangenschaft, so konnte Anton T. über seine Heimkehr von den Amerikanern berichten. Nach etwa einem halben Jahr in amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Deutschland gelang es ihm, sich im Oktober 1945 auf Umwegen in den Westen Österreichs durchzuschlagen. „In Linz erfuhr ich, ich müsse mir in Enns einen Passierschein lösen, um in die russische Besatzungszone zu gelangen, erhielt aber keinen. Dort sagte man mir, die Brücke in Mauthausen sei frei. Sie war es aber nicht. Als dort von den Amerikanern am Abend ein Lastzug abgefertigt wurde, welcher nach Wien abfahren sollte, versteckte ich mich zwischen Benzinfässern. Trotz genauer amerikanischer Kontrollen, denn es war ein Militärzug, wurde ich nicht entdeckt. Auch den russischen Kontrollen am anderen Ende der Brücke entging ich. Halb erfroren gelangte ich auf diese Weise bis St. Pölten, wo ich den Zug verließ. Mit einem Personenzug fuhr ich bis Wien. In Rekawinkel blieb unser Zug plötzlich stehen, da die Lokomotive von den Russen gebraucht wurde. Erst Stunden später ging die Fahrt mit einer anderen Lokomotive nach Wien weiter. Am zerbombten Wiener Ostbahnhof konnte ich gerade noch auf einen Russenzug aufspringen, mit dem ich unbehelligt endlich nach Götzendorf gelangte. Es war Nacht. Da hört ich rufen: ‚Mannersdorfer hier her!‘ Sofort lief ich in diese Richtung. Dort stand ein Pferdewagen. Ein Bauernknecht sollte Mannersdorfer, die in Wien gewesen waren, abholen. Auch ich stieg auf diesen Wagen und fuhr mit. Voll Angst fragte ich, wie Mannersdorf das Kriegsende überstanden habe und ob meine Frau noch lebe. Als ich erfuhr, dass meiner Frau nichts passiert und Mannersdorf unzerstört sei, freute ich mich sehr. Bei meinem Haus angelangt, klopfte ich, aber nichts rührte sich. Erst als ich laut rief: ‚Jultschi, dei Mau is do!‘ öffnete sich zaghaft das Fenster. Als mich meine Frau erkannte, war ihre Freude groß. Sie ließ mich hinein und schob mir den Kinderwagen mit meiner Tochter hin, denn ich hatte mein Kind bis dahin noch nie gesehen.“

 

Fortsetzung folgt …

 

Foto 1: Luftaufnahme von Mannersdorf, um 1930 (ÖNB, AF 7177 POR MAG)