Online-Gschichtl Nr. 183

Dr. Wesselys Erbe und die Anfänge des Museumswesens in Mannersdorf - Teil 2

Im zweiten Teil des Online-Gschichtls widmen sich Ava Pelnöcker und Michael Schiebinger heute der wechselvollen und schicksalshaften Geschichte der Sammlung von Dr. Karl Wessely.

 

Der Mannersdorfer Chronist und Lehrer Hans Kopf hat die Sammlung Wesselys im Haus Jägerzeile 16 im Jahr 1931 ausführlich beschrieben und gab so einen Einblick in das erste Mannersdorfer „Museum“. In der Halle neben der Einfahrt befanden sich etwa bereits die ersten Schaustücke, darunter Römersteine und alte Grabsteine, aber auch ein römisches Wasserleitungsrohr aus einem Fund bei Kaisersteinbruch. Auch gab es Kartenmaterial zu bewundern, das Oberst Albert Schatek für Wessely angefertigt hatte. Im linken Hoftrakt des Hauses war ein Raum der Gesteinssammlung gewidmet, ein weiterer Raum nahm die orts- und volkskundlichen Objekte auf. Zwei weitere Räume befassten sich mit ihren Objekten mit der Frühgeschichte des Leithagebirges und mit der Klostergeschichte von St. Anna in der Wüste. Alois Schutzbier und Albert Schatek halfen in dieser „museumsgeschichtlichen Geburtsstunde“ tatkräftig mit, Schutzbier führte Interessierte durch die Räumlichkeiten und Schatek fertigte Pappmachémodelle historischer Mannersdorfer Gebäude an, die in Wesselys Wohnräumen aufgestellt waren.

Im Laufe des Jahres 1931 hatte Wessely mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und musste oftmals das Bett hüten. In diesen letzten Monaten wurde er von seiner Haushälterin Christiane Neidhart, die schon 14 Jahre bei ihm im Dienst stand, betreut. Bis zuletzt empfing er Gäste in seinem Mannersdorfer Domizil, deren Anwesenheit er mitunter als mühsam empfand. Am 21. November 1931 verstarb Wessely und wurde zur Beisetzung auf den Wiener Zentralfriedhof überführt. Im Ostbahnboten widmete Albert Schatek seinem verstorbenen „Heimatforschungskollegen“ einen längeren Nachruf, der von seiner Wertschätzung und Verbundenheit zeugt. Anlässlich des Todes von Wessely erschien zudem ein Artikel des Geistlichen Karl Preinerstorfer in der Reichspost, in dem dieser einen früheren Besuch in Wesselys Museum beschrieb. Mit spitzer Feder stellte Preinerstorfer Mannersdorf als einfältiges Dorf mit „pusztageborener Giebelhäuser“ dar, aus dem Wesselys Haus gleichsam als Stätte der Kultur und Zivilisation aufragen würde. Zudem wurde der Geistliche nicht müde, Wesselys Bescheidenheit zu loben. So sei dieser während seiner Mannersdorf-Aufenthalte immer zur Frühmesse gegangen und habe diese demütig-bescheiden in der letzten Reihe stehend mitgefeiert.

Da Wessely verwitwet und kinderlos war, hatte er seinen Nachlass testamentarisch an drei Erben vermacht. Seine Haushälterin Christine Neidhart war als Universalerbin eingesetzt worden. Sie sollte neben dem Landhaus in der Mannersdorfer Jägerzeile auch die Wiener Stadtwohnung und die Villa in Perchtoldsdorf erhalten. Prof. Dr. Theodor Hopfner wurde mit der Papyrussammlung und der Bibliothek bedacht und Albert Schatek mit der Sammlung „alter Tonwaren“. Doch dann tauchte Rosa Kamper, Wesselys Schwägerin, auf und legte ein weiteres, mutmaßliches Testament vor, das auf Seidenpapier verfasst und an den Mannersdorfer Forscher Alexander von Seracsin gerichtet war: „An Herrn Oekonomierat Ritter von Seracsin, Aspern. Hochgeehrter Herr Seracsin! Ich ernenne Sie zu meinen alleinigen Erben mit den Ersuchen, meinen Namen zu erhalten und mit Herrn Wolf ein Museum zu gründen. Zufällig höre ich etwas, was mich veranlaßt, meinen Erben zu endern. Man läßt niemand zu mir, darum suche ich mir dieses dünne Papier und lege es in Ihre Kraus Fackel. Mir zittern so die Hände. Ergebener C. Wessely. Mannersdorf, Oktober 1931.“

Dem Inhalt nach habe Wessely also schwer krank und abgeschottet heimlich seinen letzten Willen geändert und Seracsin als Universalerben eingesetzt. Mit Wolf war der Eisenstädter Sammler und Kunstmäzen Sándor Wolf (1871-1946) gemeint. Wesselys Schwägerin Rosa Kamper habe das mysteriöse Testament mit auffallenden Schreibfehlern von unbekannter Seite erhalten. Seracsin selbst nahm das Testament jedenfalls ernst und versuchte es nun vor Gericht als gültigen letzten Willen Wesselys durchzusetzen. Der Fall erregte damals großes Aufsehen, sodass sämtliche Zeitungen ausführlich darüber berichteten. Im Prozess wurden zwei Schriftsachverständige hinzugezogen, die das mysteriös aufgetauchte Testament allerdings als geschickte Fälschung entlarvten. Seracsin, zu dem Wessely zu Lebzeiten offenbar kein sonderlich enges Verhältnis pflegte, zog nun seine Klage pikiert zurück und die tatsächlichen Erben konnten den Nachlass übernehmen – der Urheber des gefälschten Testaments und sein Auftraggeber konnten hingegen nie ausgeforscht werden.

1935 wurde das nach dem Gelehrten benannte „Dr.-Karl-Wessely-Orts- und Schulmuseum“ gegründet und die einstige Privatsammlung in einem Klassenraum der Volksschule (Altes Schulhaus) an der Hauptstraße untergebracht – eine eigene Tafel am Schulportal wies auf das Museum hin. Der am 8. Dezember 1935 eröffnete Museumsraum ist durch einige Fotoaufnahmen überliefert. Das Museum im Schulhaus wurde jeden Sonntagnachmittag zur Besichtigung geöffnet, auch Führungen wurden gegen Voranmeldung angeboten. Betreut wurde die von der Marktgemeinde getragene Institution weiterhin von den drei bedeutenden Mannersdorfer Forschern Alois Schutzbier, Albert Schatek und Hans Kopf.

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde 1939 die Mannersdorfer Hauptschule gegründet, für die nun das Klassenzimmer benötigt wurde, in dem bisher das Museum untergebracht war. Die Museumssammlung wurde daraufhin in Kisten verpackt und in den Maria-Theresien-Saal des Schlosses gebracht, wo ein neues Museum eingerichtet werden sollte. Kriegsbedingt kam es aber nicht mehr zur Umsetzung des Planes und die Kisten verblieben ungeöffnet im Saal.

In den Tagen nach der Besetzung Mannersdorfs durch die Sowjettruppen durchkämmten die Russen 1945 das Schloss nach Waffendepots und stießen auf die Kisten mit dem Museumsinventar. Sie konnten aber mit dem „alten Plunder“ nichts anfangen und so folgte die einheimische Bevölkerung. Diese interessierte sich für die Museumsstücke so sehr, dass der Bestand rasch schrumpfte und der Rest der Verwüstung anheimfiel. Nach einer mündlichen Überlieferung lag ein Hochrad, das bis dahin zum Museumsinventar zählte, längere Zeit demoliert hinter dem Friedhof. Bilder aus dem Museumsbestand sollen den Weg in Mannersdorfer Privathäuser gefunden haben. Reste des Inventars wurden später angeblich in der Mistgrube, die sich im Park neben dem Schloss befand, entsorgt. Einige wenige Objekte konnten dennoch gerettet und erhalten werden.

Ein Neuanfang des Museums scheiterte in den Nachkriegsjahren an verschiedenen Umständen. Hans Kopf war längst als Lehrer in Gumpoldskirchen aktiv und kam nur selten in seinen Heimatort Mannersdorf. Oberst Albert Schatek verstarb im Jahr 1948 und Alois Schutzbier verschied viel zu früh im Jahr 1956. Es fehlte folglich an fachkundigen und engagierten Personen, erst der nachfolgenden Generation unter Friedrich Opferkuh, Heribert Schutzbier und anderen gelang der Wiederaufbau eines Mannersdorfer Museums, das 1979 im ehem. Schüttkasten eröffnet wurde, also gegenüber Wesselys einstigem Wohnhaus. In der volkskundlichen Sammlung wurden nun die wenigen nach 1945 geretteten Objekte aus Wesselys Mannersdorfer Sammlung ausgestellt.

 

Was blieb nun von Prof. Dr. Karl Wessely neben seinem publizierten wissenschaftlichen Werk? Im Stadtmuseum befinden sich heute Objekte aus der Sammlung des Gelehrten, die nach 1931 in den Besitz von Wesselys Haushälterin Christine Neidhart übergegangen waren und all die wechselvolle Zeit in Wien überdauert hatten. Die Gegenstände wurden 2007 von Familie Dornauer an das Stadtmuseum übergeben. Zu den Objekten zählen Wesselys Harmonium, ein Eckkasten, Restbestände seiner Bibliothek und verschiedene archäologische Funde, Gefäße und Statuetten. Erhalten blieb auch das Sommerhaus Wesselys in der Mannersdorfer Jägerzeile, das nach den nachmaligen Eigentümern auch als „Reischl-Haus“ bekannt ist. Das Mehrparteienhaus in der Wiener Karolinengasse, in dem sich die Stadtwohnung der Wesselys befand, existiert auch heute noch. Das villenartige Haus in der Perchtoldsdorfer Walzengasse ist hingegen nicht mehr vorhanden und längst durch Neubauten ersetzt worden. Um die Jahrtausendwende wurde letztlich in Mannersdorf die neu entstandene „Doktor-Wessely-Gasse“ nach dem Gelehrten benannt.

Foto 1: Prof. Dr. Karl Wessely im Sommer 1931, wenige Monate vor seinem Tod (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Postkartenansicht um 1935, links beim Tor des alten Schulhauses wies eine Tafel auf das "Dr.-Karl-Wessely-Orts- und Schulmuseum" hin (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 3: Einige der erhalten Stücke aus Wesselys Privatsammlung, Stadtmuseum Mannersdorf (Michael Schiebinger)

Foto 4: Dr.-Karl-Wessely-Orts- und Schulmuseum im Alten Schulhaus (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 5: Ein erhaltenes Tongefäß aus Wesselys Privatsammlung, Stadtmuseum Mannersdorf (Michael Schiebinger)

Foto 6: Dr.-Karl-Wessely-Orts- und Schulmuseum im Alten Schulhaus (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 7: Ein erhaltenes Tongefäß aus Wesselys Privatsammlung, Stadtmuseum Mannersdorf (Michael Schiebinger)

Foto 8: Dr.-Karl-Wessely-Orts- und Schulmuseum im Alten Schulhaus (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 9: Eine erhaltene Statuette aus Wesselys Privatsammlung, Stadtmuseum Mannersdorf (Michael Schiebinger)

Foto 10: Wesselys erhaltenes Harmonium, Stadtmuseum Mannersdorf (Michael Schiebinger)