Online-Gschichtl Nr. 191

Das Piazollkreuz und die namensgebende Familie

Vor kurzem wurde das Piazollkreuz im Auftrag der Stadtgemeinde und mit Fördermitteln des Bundesdenkmalamtes und des Landes Niederösterreich durch den Mannersdorfer Steinmetzmeisterbetrieb Opferkuh vorbildlich restauriert. Ava Pelnöcker nimmt dies zum Anlass, um sich auf die Spuren der namensgebenden, weitverzweigten Comasken-Familie Piazoll(i) zu begeben. 

 

Nunmehr strahlt sie wieder in barockem Glanz, die qualitätsvolle Skulptur der Pietà, jene Muttergottes mit dem toten Christus auf ihrem Schoß, die ein wenig versteckt an der Straße zwischen Mannersdorf und Götzendorf auf einem schlanken Pfeiler thront. Seit der Verlegung der Bundesstraße 15 im Jahr 1982 dreht sie den vorbeieilenden Autofahrern den Rücken zu, während in alten Zeiten wohl so mancher Vorfahre beim Vorübergehen noch ehrfurchtsvoll den Hut gezogen oder ein stilles Gebet verrichtet haben mag.

Bereits die österreichisch-ungarische Grenzkarte – 1754/55 von Johann Constantin Walter erstellt – wies das Kleindenkmal als „Schmerzhaffte Säulen“ aus. Auf der Perspectiv-Karte von Franz Xaver Schweickhardt wurde die Säule zwar eingezeichnet, aber nicht benannt. Wenige Jahre später wurde das Kleindenkmal auf einer Karte als „Piagoly-Kreutz“ bezeichnet. Vermutlich ein Irrtum des Kartenstechers, da das „z“ ebenso wie das „g“ in der damaligen Schreibschrift eine Schlaufe aufwies!

Werfen wir also zunächst einen kurzen Blick auf die aus der Lombardei stammende Familie Piazoll(i), die sich nach 1600 in Wien ansiedelte. Wie viele andere aus der Umgebung von Mailand stammende Facharbeiter zwangen Kinderreichtum und begrenzte Verdienstmöglichkeiten die Comasken ihre Heimat zu verlassen um als Baumeister, Maurer und Stuckateure im barocken Bauboom ihr Glück anderswo zu machen. Aus den Matriken der Wiener Schottenkirche erfahren wir, dass ein Batista Piezolli, Steinmetzgesell aus dem Welschland von Khom am 21. Oktober 1645 die Witwe Anna Maria Riesersin ehelichte. Bereits 1636 ist ein weiterer Johann Baptist als Maurer in Mödling nachweisbar. 1699 stirbt ein Johann Baptista als Eigentümer eines Hauses am Stock-im-Eisen-Platz in Wien. Der wohl bekannteste Vertreter der Künstlerfamilie ist der begabte Stuckateur Domenico Piazolli, der 1686 den Chorraum der Hietzinger Pfarrkirche und der Stiftskirche von Dürnstein stuckierte. 1698 arbeitete er am Gewölbe des Haupt- und Querschiffs der Stiftskirche Klosterneuburg und war später im Stift Zwettl und im Schloss Mirabell in Salzburg tätig. Dennoch verstarb er um 1719 in Wien in solcher Armut, dass man seiner Witwe Katharina wegen des ausständigen Zinses auch noch die letzten Habseligkeiten wegnahm.

Der dritte und bei weitem am besten dokumentierte Zweig der Familie taucht 1629 im Dunstkreis eines weiteren norditalienischen Baufachmanns und Steinmetzzechmeisters Jakobus Spazzio in Wien auf. Baumeister Franziskus Piezolli brachte es mit der Errichtung und dem Verkauf von Spekulationsobjekten zu einem kleinen Vermögen. 1645 begegnet uns sein Sohn Franziskus als Lehrling bei den Fortifikationsarbeiten an der Wiener Stadtmauer.

Warum die Piazolli in unsere Region gelangten, darüber lässt sich heute nur noch spekulieren. Fest steht jedenfalls, dass der Franz VII. Piazolli noch 1693 einen Sohn namens Johann Baptist Franz im Stephansdom taufen ließ. Doch schon im Jahr darauf wird Sohn Max Alexander 1694 in die Taufmatriken von Wimpassing an der Leitha eingetragen, wo Vater Franz als seiner „Römisch-katholischen Majestät Tricesimator“ (Dreißiger/Zöllner) amtierte. Im Jahr 1695 erbte er das Elternhaus am Minoritenplatz 37 in Wien. 1704 muss Familie Piazolli Zuflucht vor den marodierenden Kuruzzen im Pottendorfer Schloss suchen, wo Sohn Johann Stanislaus begraben wird. 1710 wird ein weiterer Sohn, Karl Joseph, in der Wallfahrtskirche zu Pottendorf getauft, der bis 1748 seinen Dienst als Zöllner im ungarischen Neufeld an der Leitha versieht, während sein älterer Bruder Maximilian (geboren 1707) in den Jahren von 1747 bis 1760 als Dreißiger in Wimpassing amtiert. In der dortigen Pfarrkirche spendete er im Jahr seines Dienstantrittes einen Glaskasten für die Statue des heiligen Antonius. Vater Franz verstirbt am 6. Februar 1734.

Wenden wir uns nun seinem Sohn, dem 1704 geborenen Mathias Anton Piazoll zu, der 1731 seinen Dienst als Landesabgabeneinnehmer in Mannersdorf antritt. Noch im selben Jahr ehelicht er in der Stiftskirche „Unserer Lieben Frau bei den Schotten“ die rund 20 Jahre ältere Hofhafnerswitwe Anna Theresia Geitter, die ihn auf ihr Wiener Haus Tiefer Graben 9 anschreiben lässt. Nur wenige Jahre später, segnet die 54-jährige am 12. September 1737 das Zeitliche, worauf Mathias Anton Piazoll das Gebäude veräußert.

Wenn uns auch nichts über die Beweggründe für die Errichtung der Säule an der Straße nach Götzendorf überliefert ist, so hatte Piazoll durchaus einiges gutzumachen, denn auf den wenigen erhaltenen Seiten der herrschaftlichen Gerichtsprotokolle taucht sein Name 1736 gleich zweimal auf. Am 30. Mai bringt die 19 Jahre alte und ledige Elisabeth Nollerin, gebürtig aus Purckstall (Purgstall), klagbar vor, dass sie „Matthia A. Piazoll als ein Ehemann, bei welchem sie in dienst war“, geschwängert habe. Die Frucht der Sünde war das Töchterchen Katharina Anastasia, das am 28. Mai 1736 das Licht der Welt erblickte. In den Taufmatriken wurde das Kind als „spuria“ (Bastard) gebrandmarkt und der Vater als unbekannt („Parens ignotur“) verzeichnet. Die völlig mittellose Kindesmutter, die von Piazoll nur wenige Wochen vor der Geburt aus dem Dienst entlassen worden war, gab an, dass dieser „erst vor drei Wochen mit ihr geredet, wenn sie solle schwanger sein, auf die Seiten gehen, er wolle ihr zwei, drei, auch 400 Gulden geben, damit niemand was davon wissen möchte. Dahero bittet sie die gnädigste Herrschaft, sich ihrer anzunehmen, damit sie ihr nicht allein zur Auferziehung des Kindes, sondern auch vor ihrer Person ein nahmhafte Summe von dem Herrn Piazoll möge erlegt werden.“

Eine Woche darauf erschien der Beklage Mathias Anton Piazoll in der herrschaftlichen Kanzlei und „gestehet die begangene Missetat, welches beschehen, als dieweilen seine Ehegemahlin stets krank war, zweifelt aber, ob er zu dem Kinde der Vater sei, indem die Klägerin zu frühe niedergekommen und hat ihm auch niemalen, wann er sie befraget, gestehen wollen, dass sie schwanger sei. Wann sie solches gestanden und auf die Seiten gegangen wäre, hätte er ihr ein namhaftes gegeben. Nichtsdestoweniger will er ihr zur Satisfaktion 100 Gulden geben.“ Aufgrund des Geständnisses des Beklagten erging der Erlass, Piazoll solle wegen der begangenen Missetat die Landgerichtsstrafe von 32 Gulden erlegen und – da das Kind bereits am 12. Juni 1736 verstorben war – der Klägerin die anerbotenen 100 Gulden erlegen, sofern diese damit zufrieden sei.

Im Jahr darauf, am 13. Juli 1737 erschien Mathias Anton Piazoll in der herrschaftlichen „Canzley“ um die festgesetzte Geldstrafe zu erlegen. Zu seiner Verwunderung war diese zwischenzeitlich jedoch vom Verwalter auf das „Duplum verschärfet“ (auf das Doppelte erhöht) worden war. Letzterem war nämlich zu Ohren gekommen, dass der Jägerjunge dem Piazoll herrschaftliche Wildenten und Rebhühner verkauft habe. Sogar ein Wildschwein habe er für Piazoll um die Ecke gebracht! Piazoll nahm es gelassen und ließ dem Verwalter ausrichten, von einem Boten nehme er keine Nachricht entgegen, denn dieser sei ihm zu gering! Da müsse schon der Verwalter selbst erscheinen. Im Übrigen sei er ein kaiserlicher Offizier und als solchem habe ihm weder die Gräfin Fuchs noch ihr Verwalter etwas vorzuschreiben! Er lasse sich jedoch ihrer Hochgräflichen Exzellenz untertänigst empfehlen, so man ihm als Offizier zu kommen befehle, werde er seine Aufwartung machen. Prompt wurde Piazoll nun in die herrschaftliche Kanzlei zitiert, wo ihm Anton Graf von Nostitz-Rokitnitz, der spätere Schwiegersohn der Gräfin Fuchs, gehörig den Kopf wusch und ihn zu einer Buße von sechs Reichstalern verdonnerte. Zudem ermahnte er Piazoll, er solle sich vernünftig aufführen, damit die Verwaltung nicht Ursache habe, sein Haus schätzen und an den Meistbietenden verkaufen zu lassen. Nun steckte Piazoll zurück und leistete Abbitte wegen der kürzlich ausgegossenen „Injurien“ (Beleidigungen). Er erklärte die auferlegte Strafe von 32 Gulden erlegen zu wollen, doch möge man ihm die sechs Reichtaler in Gnaden erlassen. Tatsächlich wurde ihm die Strafe huldvoll nachgesehen. Piazoll versprach untertänigst „inskünftig nicht die mündeste Verdriesslichkeit mehr zu verursachen“ und erlegte die 32 Gulden.

Am 16. April 1738 ehelichte Mathias Anton Piazoll in der Wiener Bürgerspitalskirche die „wohledtle und tugendsame Barbara Mayerin“ aus Wiener Neudorf, „ehelich erzeugte Tochter des wohl edtl und gestrengen Herrn Paul Mayer, Landtman zu Brunn und dessen Ehefrau Elisabeth“. Dieser Ehe entsprossen die Söhne Franz und Joseph Piazoll. Ein letztes Mal erfahren wir 1739 von Mathias Anton Piazoll, da ihm die Herrschaft sieben Gulden für den Schaden an seiner Wiese zugestand, die man bei der Anlegung eines Grenzkordons – damals wütete die Pest in Ungarn – beschädigt hatte. Nur wenige Jahre später, am 10. Juni 1743, verstarb Mathias Anton Piazoll als „königlicher Gefäls-Oberkollektant“ (Abgabeneinheber) und Wiener Bürger.

Das stattliche Mannersdorfer Wohnhaus, dessen Versteigerung man Piazoll angedroht hatte, trug die Konskriptionsnummer 143 (wegen späterer Grundstücksteilungen ab 1825 Nr. 160 bzw. Nr. 164) und ist als ehemaliges Gasthaus Stahl/Richter am heutigen Schubertplatz 4 gelegen.

Es wird 1731 in der Beschreibung der Herrschaft Mannersdorf als Neustifthaus zwischen der Scharfenegger Gassen und dem folgenden Gebäude mit zugehörigem Krautgarten Nr. 773, Pflanzsteig Nr. 292 und fünf Lüssen Wald Nr. 1688 angeführt. Bereits 1569 sind mit Peter Zänggl und Nikl Seringer die ersten Besitzer des Hauses namentlich fassbar. Nach zwei weiteren Eigentümerwechseln stand das Gebäude nach 1708 im Alleineigentum von Hafnermeister Paul Geitter. Nach 1720 scheint Gattin Anna Theresia als Miteigentümerin auf. Nach ihrem Tod bleibt ihr zweiter Gatte Anton Mathias Piazoll Alleineigentümer, bis das Wohnhaus 1743 an dessen Witwe und zweite Ehefrau Barbara Piazoll übergeht. Rund zwanzig Jahre später veräußerte die Witwe das Gebäude an Adam Graf Batthyany von dem es 1786 in den Besitz des Wiener Weinhändlers Johann Georg Hammer und dessen Gattin Theresia gelangte.

1751 stiftete Barbara Piazoll zwei Fässer an das Karmeliterkloster St. Anna in der Wüste, dem sie später auch einen Weingarten in Purbach übertrug. Ihren beiden Söhnen war kein langes Leben vergönnt. Der 22-jährige Franz wurde am 2. Februar 1761, sein 24-jähriger Bruder Joseph am 1. Juni 1766 in Mannersdorf begraben. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die fromme Frau, die nach dem früh verstorbenen Gatten Mathias Anton auch ihren beiden Söhnen ins Grab nachsehen musste, Trost im Bildnis der trauernden Muttergottes (Pietà oder Schmerzensmutter genannt) erfuhr. Ob sie jedoch tatsächlich auch die Stifterin des Piazollkreuzes ist, wird sich wohl nicht mehr ergründen lassen. Die Namensgebung der barocken Säule zeigt aber zweifelsfrei, dass diese in direkter Verbindung mit der Familie Piazoll steht.

Foto 1: Das Piazollkreuz nach der Restaurierung (Michael Schiebinger)

Foto 2: Die äußerst qualitätsvolle Skulptur der Pietà (Michael Schiebinger)

Foto 3: Das Piazollkreuz im Jahr 1930, noch zur Straße blickend (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 4: Das ehem. Gasthaus Stahl/Richter befand sich einst im Besitz der Familie Piazoll (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 5: Mathias Anton Piazoll im Trauungsbuch der Wiener Schottenkirche (Matricula, Pfarre zu U. L. F. bei den Schotten, Trauungsbuch 1731-37)

Foto 6: Mathias Anton Piazoll im Trauungsbuch des Wiener Bürgerspitals (Matricula, Pfarre St. Augustin, Wiener Bürgerspital, Trauungsbuch 1637-1785)